Die Projektgegner, die zum Teil seit über einem Jahr auf dem S-21-Baufeld im Mittleren Schlossgarten campieren, müssen ihre illegale Zeltstadt bis zum 12. Januar 2012 aufgeben. Foto: Peter-Michael Petsch

Illegale Camps im Schlossgarten können vom 12. Januar 2012 an beseitigt werden.  

Stuttgart - Das illegale Zeltlager im Schlossgarten muss bis 12.Januar 2012 aufgelöst werden. Andernfalls droht den campierenden S-21-Gegnern die kostenpflichtige Räumung. Die Polizei will sich aber noch nicht auf einen konkreten Termin für die Zwangsmaßnahme festlegen.

Die Bauarbeiten fürStuttgart 21, die im Januar 2012 auf den Schlossgarten ausgedehnt werden sollen, werfen ihren Schatten voraus: Alle Personen, die im Mittleren Schlossgarten zwischen Biergarten, Wullestaffel und Abgang zur Klett-Passage ihre Zelte aufgeschlagen haben, müssen den Bereich "unverzüglich" - und bis spätestens 8 Uhr morgens am 12.Januar 2012 - mit allen Habseligkeiten verlassen. So steht es in der Allgemeinverfügung der Stadt Stuttgart, die am heutigen Donnerstag veröffentlicht wird.

"Aufenthalts- und Betretungsverbot"

Wer den Park nicht fristgerecht räumt, muss damit rechnen, dass "alle campingartigen Behausungen und Baumhäuser" sowie Tische, Liegen, Schlafsäcke, Kochutensilien und auch persönliche Gegenstände von Stadt und Polizei entfernt oder auch beschlagnahmt werden. Die Kosten der Räumungsaktion könnten "im Einzelfall" bis zu 5000 Euro erreichen und den Verursachern in Rechnung gestellt werden.

Am 12.Januar tritt außerdem ein "Aufenthalts- und Betretungsverbot" in Kraft, das den kompletten Mittleren Schlossgarten zwischen Schiller-, Willy-Brandt- und Wolframstraße umfasst. Sowie dort ein Polizeieinsatz angekündigt ist oder beginnt, müssen alle Menschen diesen Bereich "unverzüglich verlassen". Ausnahmeregelungen gelten für Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, berechtigte Beamte von Stadt und Land sowie für die Bauarbeiter, die im Park das Baufeld für den Tiefbahnhof einrichten sollen.

Verwaltungsakt transparent gestalten

"Wir wollen den Verwaltungsakt, der die rechtliche Voraussetzung für die Räumung des Zeltlagers schafft und allen Beteiligten Rechtssicherheit bietet, so transparent wie möglich gestalten", betont am Mittwoch Markus Vogt, Pressesprecher der Stadt Stuttgart. Der förmliche Akt sei notwendig, damit die Polizei handeln könne. Damit werde aber "kein Automatismus" eingeleitet zur Räumung oder zum Beginn der Fällungen und Verpflanzungen der 180 Bäume, die auf dem Baufeld weichen müssen, erklärt Vogt.

Auch die Polizei betont, dass mit dem 12.Januar kein fixes Datum für den erwarteten Großeinsatz im Park gesetzt werde. "Wir orientieren unsere Maßnahmen allein am Baufortschritt der Deutschen Bahn", sagt Polizeipressesprecher Stefan Keilbach. Sprich: Der Park wird erst geräumt, wenn die Baumarbeiten konkret beginnen sollen. Das wird - nach jetzigem Stand - frühestens Mitte Januar der Fall sein. Etwas früher dürfte allerdings der Abriss des Südflügels am alten Hauptbahnhof beginnen - wobei ebenfalls deutliche Proteste von S-21-Gegnern erwartet werden.

Gitterlinie mehr als doppelt so lang

Gitterlinie mehr als doppelt so lang

Mit mehreren Tausend Beamten will die Polizei die Lage im Park im Griff behalten. Erst eine eindeutige zahlenmäßige Überlegenheit ermögliche den Beamten einen "ruhigen und sicheren Einsatz" und garantiere den friedlichen Demonstranten deren Recht auf Demonstration, sagen Polizeistrategen. Ein Rückblick auf den Schwarzen Donnerstag am 30.September 2010 macht deutlich, was das heißt: Bei dem missglückten Wasserwerfereinsatz mit bis zu 200 verletzten Demonstranten und Polizisten waren zum Aufbau und zur Absicherung einer 475 Meter langen Gitterlinie im Schlossgarten bis zu 2370 Beamte nötig, wobei im Park selbst bis zu 1400 Beamte im Einsatz waren.

Die Gitterlinie, welche die Polizei Mitte Januar rings um das Baufeld aufstellen muss, wird mehr als doppelt so lang sein als die Linie im Herbst 2010. Hinzu kommt innerhalb des Bahnhofs die Absicherung der Abbrucharbeiten am Südflügel, die von der Bundespolizei übernommen wird. Konservativ geschätzt dürften demnach wochenlang mehr als 5000 Beamte im Einsatz sein.

Zeltstadt im Park illegal

Die städtische Verfügung soll schon heute für klare Verhältnisse im Park sorgen. Gleich nach dem Schwarzen Donnerstag hatten S-21-Gegner dort, wo die ersten Baugruben für den Tiefbahnhof ausgehoben werden, einige Zelte aufgestellt. Im Laufe der Zeit ist die Siedlung an mehrern Standorten auf rund 80 Zelte angewachsen, in denen sich über 100 Menschen aufhalten.

Nach der Polizeiverordnung für den Park ist die Zeltstadt illegal. Weil die Politiker in Land und Stadt nach dem Schwarzen Donnerstag kein Interesse an einer weiteren Eskalation hatten, ist der "Zustand der Anarchie" (Polizei) freilich toleriert worden. Daraus habe sich stillschweigend eine "Art der Duldung ergeben", heißt es. Mit der Verfügung der Stadt ist dieser diffuse Schwebezustand beendet.

Auch im Straßenverkehr kündigt sich die Großbaustelle an: Weil für den Abbruch des Südflügels die Straße Am Schlossgarten bald voll gesperrt wird, ist an drei großen Kreuzungen in der näheren Umgebung die Verkehrsführung so geändert worden, dass auch weiterhin ein zweispuriger Ringverkehr um den Hauptbahnhof möglich ist.