S21: das Bauprojekt hat im Bundestag eine kontroverse Debatte ausgelöst. Foto: dpa

Kritiker des Milliarden-Projekts haben im Verkehrsausschuss des Bundestags auf einen sofortigen Baustopp gedrängt. Die Bahn kontert. Sie hält das Projekt weiterhin für sinnvoll.

Berlin/Stuttgart - Mehr als acht Jahre nach dem Baustart hat das problembeladene Bahnprojekt Stuttgart 21 erneut zu kontroversen Debatten im Bundestag geführt. Bei einer Expertenanhörung im Verkehrsausschuss am Montag prallten die Fachmeinungen unversöhnlich aufeinander. Die Gegner fordern den Abbruch, der Verkehrsclub Deutschland ein Kombimodell. Der Bauherr, die bundeseigene Deutsche Bahn AG, hält das Projekt trotz massiver Probleme für unumkehrbar.

 

Die Sitzung unter Leitung von Cem Özdemir (Grüne) hatte die Linke mit ihrem Antrag „Ausstieg und Umstieg beim Bahnprojekt Stuttgart 21“ und der Unterstützung der Opposition durchgesetzt. Demnach soll die Bundesregierung als Alleineigentümerin der Bahn einen sofortigen Baustopp und Ausstieg beschließen sowie ein Alternativkonzept zum Umbau des Bahnknotens entwickeln, das sich am Konzept „Umstieg 21“ der S-21-Kritiker orientiert.

3,8 Milliarden Euro für Bauleistungen „vertraglich gebunden“

Zudem beantragte die Linke, dass die Bahn ihre Klage gegen das Land Baden-Württemberg, die Stadt und die Region zur anteiligen Übernahme der S-21-Mehrkosten zurücknimmt. Das Projekt hat sich auf offiziell bis zu 8,2 Milliarden Euro und damit mehr als Dreifache verteuert, die Eröffnung ist zum wiederholten Mal auf nun 2025 verschoben worden. Rund 40 der 59 Kilometer Tunnel im Stadtgebiet sind gebohrt; laut DB waren knapp 3,8 Milliarden Euro Bauleistungen Ende 2017 „vertraglich gebunden“.

Das Aktionsbündnis gegen S 21 hält einen Ausstieg dennoch auch jetzt noch für machbar und kostengünstiger. Der Weiterbau mit zahlreichen Bau- und Finanzrisiken könne noch 6,8 Milliarden Euro verschlingen, wie ein Gutachten der Beratungsfirma Vieregg-Rössler zeige, warnte der Stuttgarter Stadtrat Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus). Ein Umstieg mit dem Erhalt des oberirdische Hauptbahnhofs koste nur 1,5 Milliarden Euro, die von der DB genannten Ausstiegskosten von sieben Milliarden Euro seien „Fantasiezahlen“. Rockenbauch vertritt das Aktionsbündnis gegen S 21 und wurde von der Linken als Experte berufen.

Bahn sieht keine Rechtsgrundlage für einen Ausstieg

Die DB lehnt die Aus- und Umstiegsszenarien ab. Dafür gebe es „keinerlei demokratische Legitimation und zudem auch keine Rechtsgrundlage“, sagte der Geschäftsführer der DB Projekt Stuttgart–Ulm GmbH, Manfred Leger. S 21 schaffe kürzere Fahrzeiten, verlagere Verkehr auf die Schiene, entlaste die S-Bahn und bringe mit der ICE-Neubaustrecke nach Ulm zwei Millionen Fahrgäste mehr. Die Konzepte zu Brandschutz, Entrauchung und Fluchtwegen in den Tunneln seien angepasst worden, der unterirdische Bahnhof werde „ein Maximum an Sicherheit“ bieten.

Der ökologische Verkehrsclub Deutschland sprach sich in Person seines Landesvorsitzenden Matthias Lieb für ein Kombimodell aus. Demnach sollten Teile von Stuttgart 21 so schnell wie möglich in Betrieb gehen, der oberirdische Hauptbahnhof statt abgerissen weiter genutzt, der geplante Flughafenbahnhof gestrichen und die wichtige Strecke Mannheim–Stuttgart im Stadtgebiet um zwei Gleise ausgebaut werden. Ein Baustopp sei angesichts des Baufortschritts und der politischen Mehrheitsverhältnisse nicht realistisch und so wenig angebracht, wie ein Weiter-so, betonte Lieb.

Aktionsbündnis gegen S21: Bahn-Manager belangen

Auch der von der AfD benannte frühere DB-Netz-Manager Thilo Sarrazin wandte sich vor dem Verkehrsausschuss gegen einen Baustopp und Projektabbruch. Seine Aussagen, wonach die fehlende Wirtschaftlichkeit von S 21 im Finanzministerium und Staatskonzern schon seit 2001 bekannt gewesen und die Zahlen schöngerechnet worden seien, hatten bereits vor der Sitzung einige Aufregung ausgelöst. Das Aktionsbündnis gegen S 21 forderte auf einer Pressekonferenz in Berlin die dortige Staatsanwaltschaft erneut auf, strafrechtliche Ermittlungen gegen DB-Manager und Aufsichtsräte wegen Verdachts der Untreue aufzunehmen.