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Gewerkschaften äußern Unmut über drohende Strafen für Wasserwerfer-Besatzungen.

Stuttgart - Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hielt sich am Montag zurück. Behördensprecher Stefan Biehl erzählte vor allem, welche Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner vor knapp zwei Jahren ausgeräumt seien. So habe sich der Verdacht, die Polizei habe am 30. September 2010 mit Wasserwerfern ganz gezielt auf Demonstranten in Bäumen geschossen, „nicht bestätigt“.

Welcher Verdacht sich im Zuge der mehr als anderthalbjährigen Ermittlungen gegen insgesamt zwölf beteiligte Beamte bestätigt hat, ließ Biehl offen. Weder bestätigte er noch dementierte er, was tags zuvor Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger im Interview mit unserer Zeitung preisgab: Dass es aller Voraussicht nach Strafen wegen Körperverletzung im Amt geben wird, weil sich die Polizei beim Wasserwerfereinsatz nicht an die eigenen Regeln gehalten habe.

Ermittelt wird auch gegen zwei Führungskräfte

In einem Fall geht es um den Schlagstockeinsatz eines Polizisten, die restlichen elf Fälle beziehen sich auf den Einsatz der Wasserwerfer. Ermittelt wird dabei auch gegen zwei Führungskräfte: Zum einen gegen den damaligen Leiter des entsprechenden Einsatzabschnittes im Schlossgarten – einen Stuttgarter Polizeioberrat und früheren Revierleiter, der seit Juni 2011 als Referent im Innenministerium Dienst tut, zum anderen gegen den Staffelführer, der die Wasserwerfer der Bereitschaftspolizei Biberach anführte. Die anderen neun Beschuldigten sind die Kommandanten und Rohrführer von drei der Wasserwerfer, die damals zum Einsatz kamen und durch deren Strahl mehrere Menschen verletzt wurden.

Der Freiburger Rechtsanwalt Frank-Ulrich Mann vertritt, wie er sagt, „vier Schwerverletzte vom 30. September 2010“. Drei von ihnen könnten zwar wieder sehen, seien aber vorgeschädigt, hätten Konzentrationsstörungen und teilweise ein Flimmern im Auge. Manns prominentester Mandant ist Dietrich Wagner, der sein Augenlicht fast vollständig verlor. Das Foto mit seinen blutenden Augen ging damals um die halbe Welt und wurde zum Sinnbild für den „Schwarzen Donnerstag“ in Stuttgart. Wobei Wagner laut der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) damals von den Beamten mehrfach zum Weggehen aufgefordert und mehrfach vom Wasserwerfer-Strahl weggezogen worden sei. „Der hat seine Verletzungen aus meiner Sicht selbst provoziert“, sagt der Landesvorsitzende Joachim Lautensack.

Verantwortung für den Einsatz liege bei der damaligen Landesregierung

Rechtsanwalt Mann sieht das natürlich anders. Nach seiner Auffassung hätte die Polizei aus so kurzer Entfernung niemals Wasserwerfer einsetzen dürfen. Er will, dass die Verantwortlichen bestraft werden und fordert zudem Schadensersatz für seine Mandanten. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart aber habe man „zum Jagen tragen müssen“, sagt Mann. Er sei schon froh gewesen, dass überhaupt ermittelt werde. Mit einer harten Bestrafung der Verantwortlichen rechnet er aber nicht. Die Argumentation von Generalstaatsanwalt Pflieger klingt für ihn nach „Vertuschung“, nach „Schmusekurs“. Mann befürchtet, dass allenfalls „niederrangige Beamte“ belangt werden.

Ähnliches befürchtet die Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Es tritt das ein, was wir schon immer kritisiert haben“, sagt Landeschef Rüdiger Seidenspinner. „Man geht die Kette durch und bleibt bei den Wasserwerfer-Besatzungen hängen“. Die Verantwortung für den Einsatz liege aber in erster Linie bei der damaligen Landesregierung, bei „Ministerpräsident Mappus und Co“, die hätte laut Seidenspinner stärker auf Konsens setzen sollen.

Kollege Lautensack von der Polizeigewerkschaft fragt sich, welche individuelle Schuld die Beamten am Wasserwerfer denn auf sich geladen hätten. „Die Kollegen haben ja ein Okay bekommen von ihrem Einsatzleiter, die haben ja nicht von alleine angefangen“. Im übrigen hätten Wasserwerfer eine derart „grobe Motorik“, dass bei ihrem Einsatz Verletzungen nun einmal nicht ausgeschlossen seien. „Da kann man den Kollegen aus meiner Sicht nicht zwingend einen Vorwurf machen.“ Einig sei man sich allerdings darin: „Der Einsatz ist für die Polizei insgesamt kein Ruhmesblatt gewesen.“