Die Bahn will wegen der Verzögerungen bei Stuttgart 21 den Kopf- und den Durchgangsbahnhof vorübergehend parallel betreiben. All jene, die eine solche Kombilösung seit langem befürworten, sehen sich im Aufwind. Jetzt gibt es Unterstützung von prominenter Seite.
Eine eher ungewöhnliche Paarung macht sich für den Erhalt des Kopfbahnbahnhofs auch nach Eröffnung von Stuttgart 21 stark. Jürgen Resch, Chef des Vereins Deutsche Umwelthilfe (DUH), und Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), reden einer solchen Lösung das Wort. Andernfalls drohe Stuttgart bahntechnisch ins Abseits zu geraten, warnten sie bei einem gemeinsamen Auftritt am Dienstag.
Vom Interims- zum Dauerzustand?
Die beiden wenden sich vehement gegen die von der Bahn geplante Kappung der Gäubahn, die nach aktualisiertem Zeitplan im Mai 2026 erfolgen soll. Nicht nur für deren Züge müssten Teile der oberirdischen Gleisanlagen erhalten bleiben. Auch weil beide Zweifel an der Kapazität des Durchgangsbahnhofs anmelden, benötige man dringend den Kopfbahnhof. Dass die Bahn nun die beiden Bahnhöfe vorübergehend parallel betreiben wolle, zeige, dass dies technisch möglich ist. Die DB hatte angekündigt, im Laufe des Jahres 2026 erste Züge probeweise in den Durchgangsbahnhof zu schicken, ehe dieser im Dezember 2026 eröffnet werde. Während dieser Testphase bleibt die Hauptlast des Verkehrs aber im Kopfbahnhof.
In Stuttgart 21 erkennt Weselsky eine „halbseidene Lösung, die der Bahn nicht gerecht wird“. Er verweist auf das Beispiel Zürich, wo ein sanierter Kopfbahnhof um einen unterirdischen Durchgangsbahnhof ergänzt wurde. In Stuttgart hingegen würde der Abbau der Gleisflächen als gesetzt gelten. Tatsächlich läuft aktuell ein Genehmigungsverfahren für den Abriss von Bahnanlagen auf einer Fläche von 39 Hektar. „Wir werden uns ausführlich in das Verfahren einbringen. Und ich verspreche, dass wir alles tun werden, um den Rückbau zu verhindern“, gibt sich Resch kämpferisch. Stadt, Land und Bahn müssten jetzt einen „Plan B“ entwickeln, falls ein Gericht den Abbau untersage. Gegebenenfalls müsste in den Untergeschossen der dort geplanten Gebäude „Platz für schicke Züge statt für dicke SUVs eingeplant werden“.
Viel Hoffnung setzen Resch und Weselsky in eine Klage der DUH gegen das Abhängen der Gäubahn. Das Verwaltungsgericht Stuttgart, wohin der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den Rechtsstreit abgegeben hatte, befasse sich ausführlich mit den Argumenten. Viel lieber als eine juristische Lösung wäre ihm aber eine politische. „Wir bewegen uns zu häufig vor Gericht“, sekundiert Weselsky. Resch, der nach eigenem Bekunden in den zurückliegenden 40 Jahren 5000 Klagen angestrebt hat, fordert von der Politik, den Streit zu beenden und die Gäubahn zumindest so lange in den Kopfbahnhof zu führen, bis eine alternative Route über den Flughafen fertig ist. Dass dies in Form des geplanten, gut elf Kilometer langen Pfaffensteigtunnels geschehe, glaubt Resch nicht. Für den sei zwar ein Teil des Genehmigungsverfahrens in Gang gesetzt worden, doch es fehle an der Finanzierung.
Weselsky schimpft über Zustand des Bahnhofs
Laut Weselsky müssten Lokführer abwarten, was durch den Betrieb des Durchgangsbahnhofs auf sie zukomme. „Ein betriebsgefährdendes Gebilde ist Stuttgart 21 nicht. Aber es wird spannend, wie das funktionieren soll.“ Losgelöst von dieser Frage, fordert Weselsky eine Sanierung des Kopfbahnhofs. „Dort anzukommen ist im jetzigen Zustand eine Erniedrigung für jeden anständigen Eisenbahner.“