Ein Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 schlägt mit einem Brecheisen Überwachungskameras von der Decke des fluchtwegs im Wagenburgtunnel. Foto: dpa

Ein Bewohner des Zeltdorfs festgenommen. Im Wagenburgtunnel soll er Kameras zerstört haben.

Stuttgart - Ein 35-jähriger Bewohner des Zeltdorfs im Mittleren Schlossgarten ist offenbar derjenige, der vor zwei Wochen die Videokameras im Fluchtstollen des Wagenburgtunnels zerstört hat. Der Verdächtige wurde am Freitag festgenommen.

Fast schien es so, als sollte das illegale Zeltlager in den frühen Morgenstunden geräumt werden. Doch der Aufmarsch der Polizei am Freitag kurz nach 8Uhr galt einer einzigen Person. In einem von drei Zelten wurde ein 35-Jähriger gesucht, der als mutmaßlicher Randalierer im Fluchtstollen des Wagenburgtunnels verdächtigt wird. Am 21. Januar gegen 21 Uhr hatte ein Vermummter mit einem Brecheisen ein halbes Dutzend Überwachungskameras zerstört. Schaden: über 10.000 Euro. An jenem Abend waren Bäume am Gebhard-Müller-Platz gefällt worden - was unter Stuttgart-21-Gegnern heftige Proteste hervorrief.

Der Fall in der Tunnelröhre hatte für einiges Aufsehen gesorgt, weil eine dpa-Fotografin und ein SWR-Fernsehteam auf das Treiben im Fluchtstollen aufmerksam geworden waren - und die Zerstörungsaktion dokumentierten. In Kreisen der S-21-Gegner wurde die Tat des Randalierers zwar verurteilt - gleichzeitig aber wurde die Agentur-Fotografin in Internetforen an den Pranger gestellt. Weil sie angeblich dem Täter geholfen habe, sich "öffentlichkeitswirksam zu inszenieren". Diese Selbstdarstellung eines Straftäters sei nicht Aufgabe der Presse.

"Wir haben Beweismittel sichergestellt"

Unabhängig von der Frage richtiger oder falscher Selbstdarstellungen von Stuttgart-21-Gegnern fahndete die Polizei nach dem Maskierten. Die Auswertung von Videoaufnahmen im Internet führte schließlich dazu, dass der Verdacht auf zwei Männer fiel. Die beiden bekamen am Freitag einen überraschenden Besuch.

Zeitgleich mit der Razzia im Schlossgarten nahm die Polizei einen 31-Jährigen in einer Wohnung in Zuffenhausen fest. Bei den Ermittlungen konnten die Verdachtsmomente aber nicht weiter erhärtet werden. Der 31-Jährige kam wieder frei. Die Auswertung beschlagnahmter Gegenstände dauert allerdings noch an.

Mit einem 35-Jährigen aus dem Zeltdorf im Schlossgarten dagegen glaubt die Polizei den Richtigen gefunden zu haben. "Wir haben Beweismittel sichergestellt", sagt Polizeisprecher Olef Petersen. Welche, darüber gab er allerdings keine Auskünfte. Auch nicht darüber, ob Motorradhandschuhe der Marke Axo Sport gefunden wurden, die der Vermummte getragen hatte. Offenbar handelt es sich um einen besonders engagierten Bewohner des Zeltlagers, der bis vor kurzem bei der Bewehrung des Lagers mit zahlreichen Eisenkreuzen und Metallstangen beteiligt gewesen sein soll. Bei der Polizei ist der 35-Jährige bisher wegen kleinerer Delikte aufgefallen. Der Verdächtige machte zu den Vorwürfen keine Angaben.

Parkschützer beklagensich über Polizei

Die Polizisten beließen es freilich nicht bei den Durchsuchungen. Sie transportierten außerdem zahlreiche Verkehrseinrichtungen ab, etwa Absperrgitter und Verkehrsschilder. "Die sind im Laufe der letzten Wochen offenbar von Projektgegnern gestohlen und um die Zelte herum errichtet worden", sagt Polizeisprecher Petersen.

Die Gegenstände hätten eigentlich schon am vergangenen Sonntag sichergestellt werden sollen. Allerdings waren drei Streifenwagenbesatzungen bei der Anfahrt in den Park von etwa 150 Stuttgart-21-Gegnern umstellt worden. Die Beamten mussten den Rückzug antreten.

Die Polizeirazzia im Zeltdorf ist von den Parkschützern verurteilt worden. Sie sagten ein für Freitag anberaumtes Gespräch mit Polizeipräsident Thomas Züfle in der evangelischen Akademie Bad Boll in letzter Minute ab. "Gespräche über Deeskalation sind sinnlos, wenn die Polizei im Rahmen ihres Ermessungsspielraums so provozierend agiert, wie sie es bei ihrem Einsatz im Schlossgarten getan hat." Moniert wurde unter anderem der Einsatz von Drogensuchhunden. Die fanden freilich etwas Marihuana bei einer 23-Jährigen. Erwischt wurden auch zwei 24 und 29 Jahre alte Männer, die offenbar Rauschgift konsumiert hatten.

Die Parkschützer beklagen ein "wiederholt potenziell eskalierendes und unangemessenes Verhalten seitens der Polizei". Dabei soll bei bevorstehenden Einsätzen im Schlossgarten eine Eskalation vermieden werden. Das Gespräch in Bad Boll hätte eine Annäherung bringen sollen. Daraus wird nun nichts.