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Polizei sieht Radikalisierung der Gegner - "Parkschützer" sprechen von übersensiblen Beamten.

Stuttgart – Die Stuttgarter Polizei hat vor dem kommenden Einsatz im Mittleren Schlossgarten beklagt, dass Gegner des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 der Polizei mit steigender Aggressivität begegnen und andere, unbeteiligte Bürger und Verkehrsteilnehmer immer häufiger durch Blockaden behindern.

Polizeiangaben zufolge erschweren deutlich gestiegene Emotionen sowie Radikalisierung bei Teilen der Projektgegner das Deeskalationsprinzip der Polizei. Deshalb sieht sich die Polizei gezwungen, das Einsatzkonzept anzupassen. Matthias von Hermann, Pressesprecher der "Parkschützer", sieht in dieser Entwicklung keine steigende Aggressivität der Gegner, sondern vielmehr eine wachsende Übersensibilität der Einsatzbeamten.

Die Polizei beklagt steigende Aggressivität der S21-Gegner

„Die Entwicklung innerhalb des Protestes gegen Stuttgart 21 vor dem kommenden Polizeieinsatz im Schlossgarten bereitet mir Sorge“, sagt Polizeipräsident Thomas Züfle, „in einschlägigen Internetforen, allen voran auf der Seite der Parkschützer, aber auch auf der Straße, ist eine Abkehr von rechtsstaatlich tolerablen Widerstandsformen und der Aufruf hin zu mehr Härte feststellbar.“

Die Polizei müsse die vermehrt auftretenden Handgreiflichkeiten seitens der Gegner bei ihrer Planung für den Einsatz im Mittleren Schlossgarten berücksichtigen. Insbesondere seit der Rodung der Bäume am Wagenburgtunnel, aber auch bei den Montagsdemonstrationen würden Grenzen des friedlichen Protests überschritten. Dabei würden die Polizisiten von S21-Gegnern vermehrt beleidigt und bewusst angerempelt. „Die Gegner ignorieren immer öfter beharrlich die Anweisungen der Beamten und machen diese lächerlich“, erklärt Züfle weiter.

Matthias von Hermann wirft der Polizei aggressives Verhalten vor

So hatte beispielsweise ein Zeuge am 29. Januar wegen Diebstahlsverdachts die Polizei alarmiert, als Projektgegner von der Schillerstraße Absperrmaterial in den Schlossgarten transportiert hatten. Wie die Polizei berichtet, wurden drei entsandte Streifenwagen von etwa 150 Personen umringt und an der Weiterfahrt gehindert.

Beamte, die ausgestiegen waren, seien von der Menge bedrängt, beleidigt und geschubst worden. Wegen der zahlenmäßigen Übermacht und dem fanatischen Verhalten der Gegner hätten sich die Beamten schließlich zurück gezogen. Während sie den Park rückwärts fahrend verlassen mussten, hätten die Gegner laut Polizeiprotokoll „der Park gehört uns“ sowie „Ihr habt hier nichts zu suchen“ skandiert und machten sich über die Polizeibeamten lustig.

„Die Polizei scheint in diesem Fall die Tatsachen zu verdrehen“, sagt Matthias von Hermann. „An diesem Tag machten wir eine Baumführung und es war zu erwarten, dass sich viele Menschen im Schlossgarten aufhalten.“ Die Polizei sei ungeachtet dessen mit drei Streifenwagen in den Park gefahren. Anfangs hätten die Gegner anständig Platz gemacht, doch als die Beamten ihnen mit den Polizeiautos viel zu nahe gekommen waren, habe es schließlich das eine oder andere böse Wort gegeben. „Das aggressive Verhalten ging von der Polizei aus“, behauptet von Herrmann.

Auch unbeteiligte Autofahrer werden oft behindert

Die Polizei berichtet auch von unbeteiligten Autofahrern, die schlechte Erfahrungen mit den Gegnern machten. Immer wieder hätten blockieren Gegner nach Protestkundgebungen Straßen blockiert und somit zu massiven und bewusst herbeigeführten Verkehrsbehinderungen geführt. Aktivisten hatten sogar ein Sofa als Sperre auf die Straße gestellt.

Von Hermann sieht das Problem bei übersensiblen Beamten

Polizeiangaben zufolge wird das so genannte Zeltdorf von einem harten Kern von Menschen, darunter auch sogenannte Parkschützer, als Bastion des Widerstands gesehen. Der „Verteidigungswille“ für das Lager sei in den einschlägigen sozialen Netzwerken vielfältig und in unterschiedlichster Ausprägung präsent. Der Wall um das Zeltlager sei in den vergangenen Tagen weiter verstärkt worden. Barrikaden bestehend aus Sperrmüll - darunter einer Badewanne -, alten Fahrrädern sowie ganzen Holzpaletten und ausrangierten Weihnachtsbäumen seien errichtet worden.

Der Abbruch des durch die Evangelische Akademie Bad Boll initiierten Gesprächs vom vergangenen Freitag zwischen Parkschützern und der Polizeiführung sei symptomatisch für die Verschärfung des Klimas. Vertreter der Parkschützer begründeten den Abbruch unter anderem mit dem angeblich überzogenen Polizeieinsatz im Mittleren Schlossgarten am vergangenen Freitagmorgen, bei dem ein mutmaßlicher Straftäter gesucht wurde. 

Die Schlussfolgerung eines Einsatzbeamten lautete dieser Tage: „Aus manchen Wutbürgern sind Hassbürger geworden“. „Ich verstehe nicht, dass die Polizei mit solchen Begriffen um sich wirft“, kontert von Hermanns, „auch bei mir haben sich die Beamten ausgeheult, dass es mit den Gegnern immer schlimmer wird. Doch das führe ich generell auf übersensible Beamten zurück.“ Es sei weder Hass noch Wut, was der Polizei entgegenschlägt. Wenn sich die Gegner angegriffen fühlen, hätten sie das Recht, erbost zu sein. „Dass dann da mal ein böses Wort gegen die Polizisten fällt, ist doch ganz verständlich“, sagt von Hermann.