Die Bäume am Nordausgang werden versetzt. Wie eine solche Verpflanzung funktioniert, sehen Sie in unserer Bildergalerie. Im Jahr 2000 wurden an der Konrad-Adenauer-Straße große Bäume versetzt. Foto: Hörner

Mehrere Hundert Beamte stehen für Baumversetzung am Hauptbahnhof bereit.

Stuttgart - Für die Polizei beginnt in Sachen Stuttgart21 wieder der Ernstfall: 16 Bäume vor dem Nordausgang des Hauptbahnhofs sollen versetzt werden - deshalb stehen von Freitag an mehrere Hundert Beamte in Alarmbereitschaft.

Die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart21 glauben es schon genau zu wissen: Am Freitag, frühmorgens um 4 Uhr, ist ein Polizeieinsatz mit sieben Hundertschaften auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz angesetzt, wird auf allen Kanälen verbreitet. Ob das tatsächlich stimmt, lässt Polizeisprecher Stefan Keilbach indes offen: "Wir planen unsere Einsätze entlang der vorgesehenen Baumaßnahmen", sagt er. Das bei Stuttgart 21 für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Sprecherbüro gibt sich zugeknöpft. "Wir sind in der Endabstimmung", sagt eine Sprecherin.

Klar ist allerdings: Mehrere Hundert Beamte machen sich bereit. Ob sie tatsächlich am Hauptbahnhof anrücken müssen, ist ungewiss. Aber: "Wir müssen uns mit allen Szenarien beschäftigen", sagt Polizeisprecher Keilbach, "das geht doch gar nicht mehr anders." Zu glauben, dass es am Hauptbahnhof nicht wieder zu ausgiebigen Protesten kommt, "wäre blauäugig".

Längst wurde in der Polizeiführung erkannt, dass man kaum mehr auf Überraschungseffekte setzen kann. Das wurde spätestens am 30. September 2010 klar, als die Beamten im Schlossgarten Absperrungen für die ersten Baumfällungen aufstellen wollten - und alles in einer Eskalation mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken endete. Der Protest hatte sich schneller als erwartet formiert. Nun heißt es: Umfänglich planen, dann improvisieren. Klar ist, dass Polizeipräsident Siegfried Stumpf, dessen Ablösung von den Stuttgart-21-Gegnern mehrfach gefordert wurde, den Einsatz nicht leiten wird. Er ist in Urlaub.

Die Polizei will sich so lange wie möglich nicht in die Karten schauen lassen. "Nicht zuletzt die Aktivisten bestimmen ein Stück weit das Szenario", sagt Keilbach. In den vergangenen Tagen gab es allmorgendlich Blockaden der Baustelleneingänge am einstigen Nordflügel sowie am früheren Zentralen Busbahnhof, wo eine Anlage zur Grundwasserreinigung entsteht.

Der neue Standort der Bäume ist geheim

Die Aktionen sind bisher reine Routine. Die Blockierer werden aufgefordert, den Platz zu verlassen, und wer dem nicht folgt, muss seine Personalien angeben. Die ersten Wiederholungstäter mussten inzwischen auch mehrere Stunden im Gewahrsam zubringen. Dabei kam es bisher aber zu keinen Übergriffen. Ganz ruhig ging es am Mittwochmorgen zu. Kurz nach 7Uhr wurden zwei Lkw-Fahrer gehindert, auf das Baugelände zu fahren. Als die Polizei anrückte, machten die Projektgegner die Fahrbahn frei. Einige Befürworter des Projekts waren auch da: Sie brachten den Bauarbeitern Frühstück.

Die 30 bis 40 Jahre alten Platanen und rotblühenden Kastanien sollen maschinell versetzt werden. Das Gartenamt der Stadt hat der Bahn Vorschläge für neue Pflanzplätze unterbreitet, hält sie aber geheim. In Stammheim zum Beispiel würden sich die Bewohner des Gebiets Sieben Morgen über die Bäume freuen. "Am nahen Bolzplatz vor dem Gefängnis ist letztes Jahr an fünf Bäumen die Rinde abgeschnitten worden. Sie werden wohl eingehen", sagt Bezirksvorsteherin Tina Hülle. "Wir würden uns daher freuen, Bäume zu bekommen." Stammheim findet sich in der Bahn-Liste.

Für einen Baumstandort rechnet die Stadtverwaltung im Durchschnitt laut Hülle mit rund 20000 Euro Pflanz- und Pflegekosten, bis ein junger Baum richtig angewachsen ist. "Von der Größe her ist die Umsetzung der Bäume vor dem Bahnhof machbar", sagt Volker Schirner, der stellvertretende Leiter des Garten- und Forstamtes.

Die Bahn wird zum Jahresende 2011 weitere Bäume, die eigentlich zur Fällung vorgesehen waren, zu versetzen versuchen. So hat es Bahn-Chef Rüdiger Grube als Ergebnis der Stuttgart-21-Schlichtungsrunden am 30. November 2010 zugesagt.

Erneut werden dann auch sehr große Bäume im Schlossgarten betroffen sein. Dort sind nicht nur Baugruben für den neuen Tiefbahnhof geplant. Das Königin-Katharina-Gymnasium soll direkt neben dem Leitner-Steg in Richtung Bahnhof einen Ersatz-Pausenplatz erhalten, dem Bäume weichen müssten. "So war die Planung", bestätigt der Rektor Christof Martin. Unter dem Pausenhof der Schule verläuft der Nesenbach-Abwasserkanal. Er soll bis Juli 2012 verlegt werden.