Ein Stuttgart-21-Gegner und Sitzblockierer wird von Polizisten vom Bauzaun weggetragen Foto: dpa

80 Euro sollte ein Stuttgart-21-Gegner als sogenannte Wegtragegebühr bezahlen. Beamte hatten ihn im September 2010 am Hauptbahnhof, wo er sich vor der Baustellenzufahrt niedergelassen hatte, zur Seite gehievt. Nun das Polizeipräsidium Stuttgart hat die Gebühr erlassen.

Stuttgart - Der Rückzieher der Polizei liegt in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart begründet und offenbart dabei komplizierte Verästelungen im Demonstrationsrecht. Bei einer von den Teilnehmern als Blockadefrühstück apostrophierten Veranstaltung am 25. Januar 2011 vor dem Nordausgang des Hauptbahnhofs hatte die Polizei zwei Demonstranten einen Platzverweis erteilt. Diese Platzverweise waren rechtswidrig, da das Gericht darin eine vom Grundgesetz gedeckte Versammlung sah. Die Polizei hätte die Versammlung erst auflösen müssen, ehe sie Zwangsmaßnahmen anwendet. Dies war unterblieben, weil die Polizei das Blockadefrühstück als ordnungswidrige sogenannte Verhinderungsblockade eingestuft hatte. Demonstration ist also nicht gleich Demonstration und Sitzblockade nicht gleich Sitzblockade.

Jene Veranstaltung, infolge ein S-21-Gegner 80 Euro Wegtragegebühr hätte bezahlen sollen, war ähnlichen Charakters wie das Blockadefrühstück Anfang 2011. Vor Platzverweis, Wegtragen und Gebühr hätte also wieder die Auflösung der Versammlung erfolgen müssen. „Aufgrund der jetzt bekannten Rechtslage haben wir den Bescheid daher vorsorglich zurückgenommen“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach.

Im Zuge der Stuttgart-21-Proteste hat die Polizei 570-mal eine Wegtragegebühr erhoben. Da es sich dabei aber jeweils „um höchst unterschiedliche Sachverhalte“ handle, sei nicht jede Wegtragegebühr automatisch rechtswidrig, gibt der Polizeisprecher zu bedenken.