Von der geschützten Mauereidechse gibt es in Stuttgart mindestens 140 000 Exemplare. Das lässt die Bahn hoffen, dass sie nun doch nicht 6000 Tiere retten muss. Nun will sie die Baugenehmigung für einen Abstellbahnhof beantragen. Naturschützer haben ganz andere Pläne.
Stuttgart - Die neue Erkenntnis, dass es von der streng geschützten Mauereidechsein Stuttgart mindestens 140 000 erwachsene Tiere gibt, wird bald Folgen nach sich ziehen für Bauprojekte in der Landeshauptstadt. Nachdem über die Zahl nun Klarheit herrsche, wolle man auf Basis des neuen Gutachtens den Planfeststellungsantrag für den künftigen Abstellbahnhof in Untertürkheim vorbereiten, also den Genehmigungsantrag, erklärte Peter Sturm, Geschäftsführer der DB-Projektgesellschaft Stuttgart–Ulm, am Mittwoch.
Diese knappe Äußerung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Stadtverwaltung nun von Fall zu Fall Ausnahmegenehmigungen für Bauvorhaben ohne aufwendige Umsiedlung von streng geschützten Mauereidechsen für möglich hält. Zuvor war die DB bei Stuttgart 21 durch den Artenschutz unter Druck geraten. Für den Bau eines Abstellbahnhofes in Untertürkheim sollte sie rund 6000 Tiere umsiedeln, es fehlte aber an Ausweichflächen.
Regierungspräsidium sieht das Eisenbahn-Bundesamt am Zug
Das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart, Sitz der Höheren Naturschutzbehörde, verwies aber auf das Eisenbahn-Bundesamt. Dieses sei auch in Fragen des Artenschutzes die Genehmigungsbehörde für die DB. Es könne, müsse aber nicht die fachlichen Stellungnahmen des RP übernehmen. Bisher gebe es keine Anfrage.
Der Verein der Bauwirtschaft Baden-Württemberg hofft, dass Bauprojekte nun schneller umgesetzt werden – und dass man hohe Umsiedlungskosten vermeiden kann, die nicht allen Bürgern verständlich seien. Insofern gehe die Entwicklung in die richtige Richtung. Planen und Bauen würden in Deutschland aber auch durch andere Auflagen verzögert und verteuert.
Naturschutzbund erwägt gegebenenfalls Klage
Dagegen pocht der Naturschutzbund (Nabu) darauf, dass die europäischen Artenschutzvorgaben weiterhin streng ausgelegt werden. Freilich ließen diese es durchaus zu, dass man Stuttgarter Mauereidechsen auch jenseits der Stadtgrenze ansiedle, sagte Hans-Peter Kleemann, Vorsitzender der Nabu-Gruppe Stuttgart. Bisher wollte der behördliche Naturschutz dies mit Rücksicht auf genetische Eigenarten der hiesigen Population nicht. Ein „Reinheitsgebot“ durchzusetzen werde von den europarechtlichen Vorschriften aber nicht verlangt, meinte Kleemann. De facto sei es auch nicht durchsetzbar, weil Tiere und Tierarten sich im Zuge des Klimawandels vermehrt neue Lebensräume erobern. Die DB könne zudem noch Eidechsen auf andere Bahn-Grundstücke umsiedeln. Bisher habe sie die Tiere lieber auf fremde Flächen abgeschoben. Sollte sie eine Ausnahmegenehmigung erhalten, könnte man dagegen klagen, sagte Kleemann. Er würde dafür plädieren. Entscheiden müsse aber der Vorstand.
Die Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch (Grüne) hatte noch kurz vor Bekanntwerden des Gutachtens an das RP geschrieben: Wenn es in Stuttgart keine Ausweichflächen gebe, müsse man Umsiedlungen auch in Nachbarkreise und auf kleinere Grundstücke zulassen. Niemand könne den Tod von Tausenden von Tieren wollen.