Am Montag wird Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer mit Vertretern von Land, Stadt und Region Stuttgart den Fortgang von Stuttgart 21 besprechen. Am Flughafen droht statt Fortschritt allerdings Stillstand, weil die Bahn-Pläne die S-Bahn behindern. Bringt Kefer eine Lösung aus Berlin mit?
Stuttgart - Knapp drei Stunden soll sich der politisch besetzte Stuttgart-21-Lenkungskreis am Montag mit den Fährnissen des Projekts beschäftigen. Größtes Problem aus Sicht von Region und Stadt ist aktuell der Flughafenanschluss. Nach elf Tagen Planerörterung hat sich deutlich abgezeichnet, dass die Bahn-Pläne die S-Bahn aus ihrem Takt werfen werden. „Die Verschlechterungen sind plausibel. Die Erörterung ist mehr oder weniger gescheitert. Jetzt brauchen wir politische Gespräche“, sagte OB Fritz Kuhn am Dienstag vor dem Technikausschuss des Gemeinderats. Eine Lösung präsentierte er nicht.
Kuhn kam am Dienstag nicht ganz freiwillig in den Sitzungssaal. SPD-Fraktionschef Martin Körner hatte den Verwaltungschef mit einem Antrag vor die Räte zitiert. Kuhn hatte in der Vorwoche einen Dringlichkeitsantrag der Grünen in der Regionalversammlung unterstützt. Inhalt neben dem Gesprächsappell: Die Gäubahn aus Richtung Singen solle nicht wie vereinbart künftig zum Flughafen, sondern in den neuen Tiefbahnhof fahren. Dazu müsste aber noch ein Bahntunnel in der City gebaut werden.
Kuhn, immerhin stellvertretender Regionalpräsident, hatte den Antrag grundsätzlich unterstützt. Am Dienstag rückte er vom Tunnel-Teil ab. Das Thema alte Gäubahnstrecke müsse man „separat klären, ich glaube nicht, dass sie mit der Einfädelung in einen neuen Tunnel Probleme löst“, sagte sich Kuhn in diesem Punkt von seinen Parteifreunden los. Er sei „immer erst OB, dann Mitglied meiner Fraktion im Regionalverband“. Der Stuttgart-21-Finanzierungsvertrag lasse nur zu, die Gäubahnzüge direkt zum Flughafen zu fahren.
SPD bereit, weitere Millionen nachzulegen
Das sehen auch SPD, CDU, Freie Wähler, FDP und AfD so. Die SPD lässt durchblicken, dass sie bereit wäre, für eine bessere Lösung am Flughafen – der heutige S-Bahn-Halt bliebe dann unberührt, was der Pünktlichkeit und späteren Taktverdichtung helfen könnte – Millionen nachzulegen.
Kuhn will am Montag aber nicht mit geöffnetem Geldbeutel in das Gespräch mit Kefer gehen. Es gebe gar keinen Anlass, der Bahn „Fruchtstückchen auf den Teller zu legen“, schließlich müsse die „zeigen, dass Verbesserungen im Regionalverkehr möglich sind“. Die seien im Vertrag versprochen.
Über die von der SPD favorisierte Alternative, den Gäubahn-Verkehr am Flughafen nicht in den S-, sondern in den neuen Fernbahnhof zu lenken, verlor Kuhn kein Wort. Körner hob daher zum Lobpreis der Variante an, für die die Bahn 224 Millionen Euro zusätzlich errechnet hat. Für Körner eine Luftnummer: „Die Bahn weiß doch selbst nicht, was die Variante kostet.“ Der neue Fraktionschef warnte Kuhn und die Grünen davor, allein auf das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) zu setzen. Die Behörde entscheidet letztlich. „Womöglich winkt das Eba das Ding nämlich durch“, sagte Körner. Die Schwierigkeiten für den S-Bahn-Verkehr seien dann auf Jahrzehnte zementiert.
Kuhn folgte dem Argument nicht. Er werde nicht mit Geld wedeln, „um dafür nichts zu bekommen“, sagte er. Auch die Filderbahnhof plus genannte Lösung habe Nachteile, zum Beispiel mehr Flächenverbrauch. Und die eingleisige Engstelle in der neuen Rohrer Kurve bleibe dabei auch.
Die CDU sieht bei der S-21-Problematik die Landesregierung am Zug. Die Plus-Variante hätte man vor zwei Jahren beim Filder-Dialog mit Bürgern haben können, wenn das Land dafür bezahlt hätte, sagte Alexander Kotz. Jürgen Zeeb von den Freien Wählern kann sich zwar für die Plus-Variante erwärmen, aber er folgte Kuhn. Zunächst müsse die Bahn die zugesagte Leistungsfähigkeit am Flughafen liefern. Kuhn habe „alles gesagt“, lobte FDP-Fraktionschef Bernd Klingler. Keinesfalls dürfe man das Signal senden, weiter Kosten mittragen zu wollen.
Tom Adler von SÖS/Linke-Plus sieht die Mehrheit auf dem Holzweg „Stuttgart 21 zu stoppen wäre die einzig richtige und konsequente Lösung“, sagte er. Alternativ bleibe nur, die Gäubahnzüge künftig in Vaihingen halten und Reisende zum Flughafen dort umsteigen zu lassen.
Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold diagnostizierte bei den S-21-Befürwortern akute Torschlusspanik. Er erlebe eine Zeitenwende, weil CDU und SPD „plötzlich Probleme bei Stuttgart 21 sehen, bisher waren sie ja blind“. Die Werbebotschaften der völlig kritiklosen Befürworter zur S-Bahn wie „keine Nachteile“ und „völlig neue Möglichkeiten“ erwiesen sich als falsch. Die Bahn müsse liefern“, so Pätzold, „und zwar etwas, was die S-Bahn nicht behindert“.