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Ministerpräsident zweifelt hohe Ausstiegskosten an - Gespräch mit Ramsauer in Berlin.

Stuttgart - 3000 Bürger haben Winfried Kretschmann (Grüne) auf dem Marktplatz auf den Zahn gefühlt. Der Regierungschef präsentierte sich am Mittwochabend als harter Gegner von Stuttgart21 - warnte das überwiegend projektkritische Publikum aber zugleich vor Intoleranz.

 

Es ist ein Heimspiel für Winfried Kretschmann: Das Publikum ist auf seiner Seite, Jo Frühwirth quält ihn nicht mit schwierigen Fragen, das Thema des Abends kann er aus dem Effeff. Trotzdem fährt der Regierungschef fast aus der Haut. "In der Demokratie gibt es keine Instanz über wahr und falsch!", fährt er sein Publikum unvermittelt an. "Diese Illusion führt sonst zu nichts Gutem. Ich bitte Sie: Verabschieden Sie sich davon!"

Anlass für den Appell, den der ansonsten so milde formulierende Kretschmann im Stil einer Standpauke hält, ist die Frage aus dem Publikum, ob man nicht die vielen Behauptungen im Streit um Stuttgart21 einer Art Wahrheitskommission vorlegen solle. "Wer soll der Richter sein?", faucht Kretschmann. "Jede Seite hat gute Argumente; da gibt es keine Lüge und keine Wahrheit!" In der Demokratie könne es nur darum gehen, sich mit Argumenten zu streiten, Alternativen zu prüfen und Mehrheiten zu finden.

Die rund 3000 Bürgerinner und Bürger, die nach fast übereinstimmenden Angaben von Polizei und Veranstalter am Mittwochabend der Einladung zum neuen Dialogforum "Wir reden mit!" auf den Marktplatz gefolgt sind, quittieren die Belehrung des ehemaligen Schullehrers mit lahmem Beifall. Dabei ist es nicht das einzige Mal, dass sich der Ministerpräsident querlegt. Wo es um seine Überzeugung geht - er selbst spricht von "Haltung" -, zeigt Kretschmann Kante.

Als sich einer der wenigen anwesenden S-21-Befürworter an einem der vier Mikrofone auf dem Platz zu Wort meldet und vom Publikum sogleich niedergeschrien wird, geht Kretschmann dazwischen.