Vermittler Geißler wirbt zwei Stunden lang bei der CDU-Landtagsfraktion um Kompromisse.
Stuttgart - Mit Terminplänen ist das in diesen Tagen so eine Sache. In vielen Fällen sind sie überholt, kaum dass sie geschrieben sind. Ministerpräsident Stefan Mappus startete bekanntlich wegen des Ärgers um Stuttgart 21 verspätet zu seiner Arabien-Dienstreise, Umweltministerin Tanja Gönner kam wegen desselben Themas früher von dort zurück. Und am Dienstag, als die CDU-Landtagsfraktion eigentlich einen Katalog von Sachthemen abarbeiten wollte, gab es nur ein Thema: natürlich Stuttgart 21. Zwei Stunden, und damit deutlich länger als geplant, diskutierte Vermittler Heiner Geißler hinter verschlossenen Türen mit den Landtagsabgeordneten.
Als beide hernach vor die Presse traten, mochte sich keiner als Gewinner oder Verlierer sehen. "Das Gespräch hat zur Versachlichung der Debatte beigetragen", betonte Fraktionschef Peter Hauk. Es müsse das Ziel sein, "deutlich mehr Transparenz in die Öffentlichkeit zu bringen". Geißler mochte da nicht widersprechen. "Wir müssen die strittigen Punkte gemeinsam von Angesicht zu Angesicht diskutieren", hatte er den Abgeordneten erneut klargemacht, wie er die Gespräche zwischen Befürwortern und Gegnern angehen will. Dabei dürfe nichts verborgen bleiben: "Hier wird nicht getrickst." Und so formte Geißler seine Mission in die Bildergeschichte von zwei Zügen, die da immer schneller aufeinander zufahren. Es sei seine Aufgabe, die Kollision zu verhindern.
Aber ist die nicht längst geschehen? Abgeordnete jedenfalls berichteten nach der internen Sitzung, es habe viele Fragen an den 80-jährigen Schlichter gegeben. Immer wieder machte die Regierungspartei dabei klar, dass an einem Punkt mit ihr nicht zu reden ist. "Wir lehnen einen Baustopp weiterhin ab", betonte Hauk auch nach der Sitzung.
Künftig heißt es Bauunterbrechung
Insofern dürfte es ein Etappensieg von Geißler gewesen sein, dass er die CDU-Landtagsfraktion dahin brachte, dass der "Kampfbegriff Baustopp" (Geißler) nun durch das Wort Bauunterbrechung ersetzt wird. Was auf den ersten Blick nur als Wortklauberei erscheint, könnte zwischen Befürwortern und Gegnern zur goldenen Brücke werden. Immerhin hatten die Gegner eine Unterbrechung der Arbeiten stets zur Bedingung für Gespräche gemacht. Hauk jedenfalls betonte, man sei zu Bauunterbrechungen bereit, aber nur unter der Bedingung, "dass es dadurch keine Verzögerungen bei dem Gesamtprojekt" gibt. Geißler machte sogleich klar, dass er den Begriff dankend aufnehme und durchaus "Chancen für eine Übereinkunft" sehe.
Aber wie groß sind sie? Hauk erklärte gleich mehrfach, man sei zu Gesprächen mit den Projektgegnern bereit. Er erwarte aber, "dass die sich jetzt auch in Bewegung setzen". Die vorbereitenden Arbeiten an den Gleisen und am Grundwassermanagement müssten sowieso "ohne Verzögerung" fortgesetzt werden. An den Fronten ändert sich also offenbar (noch) nichts. Geißler zeigte sich dennoch optimistisch, dass er noch in dieser Woche mit den eigentlichen Schlichtungsgesprächen beginnen kann. "Es handelt sich um eine Fach- und Sachschlichtung." In einer Demokratie müsse es immer "eine Kommunikationsfähigkeit" geben. Welche Konsequenzen die Politik am Ende ziehe, "steht auf einem anderen Blatt". Niemand solle von ihm "ein Wunderwerk" erwarten. Es war der deutliche Wink des erfahrenen Vermittlers, dass er den Konflikt im Unterschied zur Tarifauseinandersetzung womöglich gar nicht ganz lösen kann.
Die Skepsis ist ohnehin da. Nicht nur in der Südwest-CDU, wo mancher fürchtet, dass die klare Haltung zu Stuttgart 21 wegen der bevorstehenden Landtagswahl zu sehr aufgeweicht wird. "Wir dürfen uns nicht unglaubwürdig machen", warnte ein Landtagsabgeordneter und schob mit Blick auf das Aktionsbündnis bissig hinterher: "Den Stocker werden wir ohnehin nicht zum CDU-Wähler machen." Aber auch beim Koalitionspartner FDP sieht man Geißlers Einsatz mit gemischten Gefühlen. "Ich wäre froh, wenn der Schlichter mehr Gespräche mit allen Beteiligten und weniger Interviews führen würde", sagte Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke am Dienstag. Zugleich kritisierte er aber auch die Stuttgart-21-Gegner: "Ihnen ist aus meiner Sicht gar nicht an einer Vermittlung gelegen."
Zumindest an einem Punkt herrscht jetzt Klarheit. Schlichter Heiner Geißler erhält für seine Arbeit kein Honorar. "Er macht das ehrenamtlich und sieht die Aufgabe als Freundschaftsdienst für sein Heimatland“, hieß es am Dienstag aus Regierungskreisen der CDU-FDP-Koalition.