Die Gäubahn könnte eine wichtige Rolle bei Stuttgart 21 spielen. Foto: Deutsche Bahn AG/Benedikt Stahl

Die Kommunen entlang der Gäubahn wollen den so genannten „Paffensteigtunnel“ von der Gäubahn bei Sindelfingen über den Flughafen. Guido Wolf, Vorsitzender des Interessenverbands Gäubahn, erklärt, warum.

Die Gäubahn, die Schienenverbindung von Stuttgart an den Bodensee und in die Schweiz, ist lange stiefmütterlich behandelt worden. Nun gibt es Diskussion über ihre Führung im Großraum Stuttgart. In der Debatte ist auch der sogenannte Pfaffensteigtunnel auf den Fildern. Guido Wolf, CDU-Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Interessenverband Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn sagt im Interview, warum sich die im Verband zusammengeschlossenen Städte, Kreise und Verbände für den Tunnel stark machen, auch wenn damit terminliche Unwägbarkeiten verbunden sind.

 

Herr Wolf, für den Pfaffensteigtunnel, also die unterirdische Verbindung von der Gäubahn bei Sindelfingen zum Flughafen Stuttgart, hat die Bahn die Vorplanung abgeschlossen. Befürchten Sie durch die neue Variante Verzug beim Ausbau der Gäubahn?

Beim Einschätzen zeitlicher Perspektiven bin ich vorsichtig geworden – auch angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre. Ich kann nicht ausschließen, dass durch diese Planänderungen Zeitverzögerungen eintreten. Aber die Chance, den Pfaffensteigtunnel zu bekommen, würde auch gewisse Verzögerungen rechtfertigen.

Demnach bevorzugt der Interessenverband, an dessen Spitze Sie stehen, den Pfaffensteigtunnel gegenüber der bisher vorgesehenen Erweiterung der S-Bahnstation am Flughafen um ein drittes Gleis?

Bei unserer jüngsten Zusammenkunft vor wenigen Tagen war das die entscheidende Frage. Wir haben darüber ergebnisoffen und intensiv diskutiert. Am Ende war klar: die Gäubahn-Anrainer befürworten den Pfaffensteigtunnel und die übrigen, im Zusammenhang mit dem Deutschland-Takt diskutierten und über die bisherigen Ausbauten hinausgehenden Verbesserungen an der Strecke. Es war ein einstimmiges Votum. Ganz wichtig dabei ist die Feststellung, dass der Deutschland-Takt auf der Gäubahn erst durch den Pfaffensteigtunnel möglich wird.

Dass womöglich Böblingen und Singen ihren Fernverkehrsanschluss verlieren oder dieser verlegt wird, hat zu keinem Dissens in der Runde geführt?

Nein, es gab keinen Dissens. Der Interessenverband fordert einmütig, dass die Haltepunkte Böblingen und Singen Bahnhof auch künftig angefahren werden. Zudem ist den Anrainern wichtig, dass die Zeit der Unterbrechung der Gäubahn in Stuttgart wegen der Arbeiten am Bahnknoten so kurz wie möglich gehalten wird.

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Egal welche Variante zum Zuge kommt, diese Unterbrechung scheint nicht mehr zu verhindern zu sein. Die Stadt Stuttgart möchte so schnell wie möglich die Bahnflächen städtebaulich entwickeln. Ist da zu viel Dickköpfigkeit im Spiel?

Ich fühle mich nicht berufen, über Ursächlichkeiten zu befinden. Jeder weiß, dass auch die Variante mit dem dritten Gleis am Flughafen Übergangslösungen notwendig gemacht hätte. Der Interessenverband fordert deswegen ganz klar, dass die Bahn ein gutes Übergangskonzept vorlegt. Es darf nicht unattraktiv werden, den Zug zu nutzen.

Einer Ihrer Vorgänger an der Spitze des Verbands, Michael Theurer, ist heute Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Bringt das Rückenwind?

Wir haben ein gutes Verhältnis. Es gab unterschiedliche Prognosen, wer an die Spitze des Bundesverkehrsministeriums rückt und wer Staatssekretär wird. Im Ergebnis sehe ich die nun gefundene Lösung als große Chance für die Gäubahn, aber auch für andere Schienenstrecken im Land an. Michael Theurer war bei unserer letzten Sitzung ebenfalls zugeschaltet. Er kennt sich gut aus und steckt viel Herzblut in das Projekt. Natürlich weist er zurecht immer wieder darauf hin, dass er für die ganze Republik zuständig ist und nicht nur für das Land.

Bisher ist der Ausbau der Gäubahn nur im Kriechtempo von der Stelle gekommen. Wird die Bedeutung der Verbindung in Berlin unterschätzt?

Es ist ein Ärgernis. Man geht drei Schritte vor und zwei wieder zurück. Die Abläufe dauern einfach viel zu lang. Der Bund und die Bahn haben die Bedeutung der Gäubahn viele Jahre unterschätzt. Es gab ja schon Mutmaßungen, das könne mit diesem etwas niedlichen Namen zusammenhängen, der eher an eine regionale Bimmelbahn als an eine internationale Schienenverbindung denken lässt. Aber einen so eingeführten Begriff in den Köpfen zu ändern, ist unheimlich schwer. Jetzt geht es aber voran und die Entwicklung beim Pfaffensteigtunnel zeigt, dass es in die richtige Richtung geht.

Für diesen Tunnel braucht es in der Lenkungskreissitzung von Stuttgart 21 Anfang Mai eine Vorentscheidung. Wie verhält sich der Projektpartner Land?

Das kann ich nicht vorwegnehmen. Der Interessenverband fände es gut, wenn jetzt schon die baulichen Voraussetzungen für den späteren Pfaffensteigtunnel am Flughafen geschaffen würden. Die Zustimmung des Landes wäre ein großer Schritt und die Deutsche Bahn könnte sofort mit den Vorabmaßnahmen, etwa dem Bau der Anschlussstutzen, beginnen. Das Land müsste kein eigenes Geld in die Hand nehmen. Aus Sicht der Gäubahn-Anlieger könnte das ein wichtiger Schritt sein, weitere Verzögerungen bei der Gäubahn-Anbindung an den Flughafen zu verhindern und die Zeit der Unterbrechung möglichst kurz zu halten.

Welche Signale bekommen Sie vom Landesverkehrsminister, der das Land im Lenkungskreis vertritt?

Natürlich reden wir miteinander. Unmittelbar nach der Sitzung des Interessenverbands habe ich ihn angeschrieben, und ihm unser Votum mitgeteilt. Es kommt aber nicht nur aufs Land an. Auch der Verband Region Stuttgart ist Projektpartner und stimmt mit ab. Dessen Vorsitzender Thomas Bopp hat sich in unserer Sitzung klar positioniert. All das zusammen dürfte für die Entscheidung des Landes und damit des Verkehrsministers eine wesentliche Rolle spielen.

Der Tunnel dürfte eine knappe Milliarde Euro kosten. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Finanzierung zu stemmen ist?

Das wird funktionieren. Es sind sicherlich noch viele Gespräche nötig. Der Bund hat im aktuellen Bundesverkehrswegeplan die Mittel beträchtlich gesteigert. Mit der Gäubahn waren wir in dieser Dimension noch nie vertreten.