Auf diesem Computerbild und in der Ausstellung im sechsten Stock des Bahnhofsturms lassen sich die Ausmaße des Neubaus gegenüber dem Bonatz-Bau erahnen Foto: ingenhoven architects

Diskutieren Sie mit - Der neue Tiefbahnhof in der Landeshauptstadt wird nicht das einzige Bauwerk des Düsseldorfer Architekten Christoph Ingenhoven bleiben. Er will im anschließenden neuen Stadtteil ein Zeichen setzen.

Stuttgart - Der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven will 2021 den architektonischen Auftakt für das neue Stadtviertel hinter dem Hauptbahnhof geben. Direkt im Anschluss an den Tiefbahnhof soll ein bis zu siebenstöckiges Gebäude entstehen. Es wird zwar eine Stufe niedriger sein als die von vielen Architekten geschmähte Landesbank-Zentrale (im Volksmund „Panzerschrank“), aber mindestens das Volumen des alten Bonatz-Bahnhofsgebäudes umfassen. Allein die Dimensionen des Neubaus am Straßburger Platz werden das neue Stadtquartier prägen.

Ingenhoven (55) und der Bauingenieur Werner Sobek hatten vor wenigen Wochen bei einer Veranstaltung der Stuttgart-21-Projektgesellschaft die Stadtverwaltung als zögerlich gerügt. Man dürfe 2021 hinter dem neuen Tiefbahnhof nicht in ein Loch fallen, hatten die Experten gesagt, und damit Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Baubürgermeister Peter Pätzold (beide Grüne) verärgert. Kuhn und der Architekt Pätzold hatten sich mehrfach mit Ingenhoven getroffen, Kuhn hatte bereits vor der jüngsten Kommunalwahl 2014 den Kontakt nach Düsseldorf gesucht.

Der Wettbewerb umfasste weit mehr als den Bahnhof

Der Düsseldorfer Star-Architekt hatte 1997 den Wettbewerb zum Neubau des Hauptbahnhofs gewonnen. Er war von der Bahn in Koordination mit Stadt und Land ausgeschrieben worden. Und er ging weit über die Verkehrsstation hinaus, umfasste Klett-Passage und Schillerstraße, Bonatzbau und Teile des Parks sowie ein Stück des neuen Stadtviertels. Auch an eine mögliche Erweiterung der Staatsgalerie durch einen Würfelbau an der Ecke Schiller-/Brandt-Straße beim früheren Landespavillon war gedacht worden.

Dem Privileg, die alten Gleisflächen bebauen zu dürfen, müsse man sich „würdig erweisen“, hatte Ingenhoven bei der S-21-Veranstaltung vor großem Publikum in der Zentrale der Industrie- und Handelskammer (IHK) gesagt. Mit dem Neubau vis-à-vis des alten Bahnhofsgebäudes müsse der „Standard gesetzt werden für den anschließenden Städtebau“, so Ingenhoven jetzt zu unserer Zeitung. Die Stadtbibliothek im sogenannten Europaviertel an der Heilbronner Straße nennt er ein „Alien in einer Bürostadt“, also einen fremdelnden Außerirdischen. Die weitere Bebauung an der Stelle der heutigen Gleisflächen müsse beispielhaft und vorbildlich sein, und zwar in ökologischer, soziologischer und stadträumlicher Hinsicht, fordert Ingenhoven. Sein Büro hat sich das Schlagwort „Supergreen“ patentieren lassen. Es beschreibt umfassend nachhaltiges Bauen. Ein Drittel des Gesamtverbrauches an Ressourcen entfalle auf Gebäude, so Ingenhoven bei einem Vortrag zum Bauwelt-Kongress vergangenen Freitag in Berlin. Supergreen sei eine Antwort der Architektur auf aktuelle Umweltprobleme.

Die Bahn braucht 340 zusätzliche Stellplätze

Wer den Auftakt für die Bebauung an der Stelle gibt, an der heute die 16 Kopfbahnhofgleise enden, ist für Ingenhoven keine Frage: er selbst. „Wir haben alle anderen Aufträge, es fehlen nur der Klett-Platz und dieses Nordgebäude. Natürlich wollen wir den Auftrag dafür haben“, so Ingenhoven selbstbewusst. Für die Bahn plant sein Büro die auf rund 100 Millionen Euro taxierte Modernisierung des Bonatz-Baus. Statt geteerter Dachpappe soll er künftig mit Solarzellen bedeckt werden.

Sowohl beim Stuttgart-21-Planungsbüro als auch in der Stadtverwaltung war die rechtliche Lage nach dem Auftritt des Architekten bei der IHK unklar. Die Bahn werde im nördlichen Bahnhofsgebäude in zwei Tiefgeschossen 340 Stellplätze bauen, das sei eine Auflage aus der Baugenehmigung für den Hauptbahnhof, im Erdgeschoss werde es Zugänge zum neuen Tiefbahnhof geben. Für die übrigen sieben Stockwerke sei die Stadt Hausherr, denn das Grundstück gehöre ihr, hieß es bei der Bahn.

Bürger sollen ihre Ideen äußern

Noch ist nicht klar, ob die Stadt das Gebäude selbst nutzt. Ein Fremdnutzer dürfte aber schwer zu finden sein, „wenn die Untergeschosse in dieser Weise belastet sind“, sagt Ingenhoven. Er werde das Gebäude entwerfen. „Rein juristisch besteht eine Auftragsverpflichtung. Die Festlegung hat vor 17 Jahren stattgefunden“, tritt der Architekt möglichen Zweiflern entgegen.

Was in der üppigen Hülle Platz findet, ist nicht entschieden. Der frühere OB Wolfgang Schuster (CDU) hatte vor Jahren eine neue Philharmonie an diesem Standort ins Gespräch gebracht, Kuhn schon einmal laut über einen neuen Standort für das Linden-Museum nachgedacht. Auch für ein Kongresszentrum ist die Kommune in der City auf Standortsuche. Oder kommen doch profane Büros und im Erdgeschoss Handel?

„Das Grundstück ist Teil der Bürgerbeteiligung Rosenstein. Wir erwarten für diesen Bereich auch Vorschläge aus der Bürgerschaft. Daher gibt es keine aktuellen Überlegungen, was dort einmal entstehen könnte“, sagt Pätzold diplomatisch. Der Baubürgermeister und Ingenhoven sowie Fritz Kuhn können ihre Vorlieben bald besprechen. Ein weiteres Treffen ist angeblich für die nächsten Wochen angesetzt.