Am Mittwoch diskutierten Experten im Verkehrsausschuss im Paul-Löbe-Haus in Berlin Foto: dpa

Tiefbahnhof und Tunnel von Stuttgart 21 sollen bis 2019 im Rohbau fertig sein. Das hat Bahn-Vorstand Volker Kefer vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags versprochen. Die Projektgegner kritisieren, dass die Infrastruktur weder die nötige Kapazität hat noch den Brandschutz erfüllt.

Berlin - Beim Thema Stuttgart 21 unterdrücken Linke und Grüne im Bundestag ihre Berührungsängste. Die öffentliche Anhörung zum Bahnprojekt haben die Fraktionen vor einem Jahr dem auch erwogenen Untersuchungsausschuss vorgezogen. Ganz aus der Welt sei der U-Ausschuss nicht, sagte Matthias Gastel (Grüne) am Mittwoch in Berlin. Wenn das Bundesverfassungsgericht der Klage der Grünen auf Offenlegung aller Unterlagen der Bahn stattgebe, könne eine neue Situation für Stuttgart 21 entstehen.

Sabine Leidig, Verkehrssprecherin der Linken, verwies allerdings auf die dünne Personaldecke der beiden kleinen Fraktionen. Man könne auch mit Unterlagen „zugeschüttet“ werden. Außerdem würde die Mehrheit aus CDU und SPD das Thema des U-Ausschusses bestimmen. Die CDU hatte laut Leidig am Dienstag per Veto eine Videoaufzeichnung der öffentlichen Anhörung für das Internet abgelehnt. Grüne und Linke hatten sie kurzfristig beantragt, weil der Saal nur 62 Besucher fasste. Viele Projektgegner reisten schon am Dienstag an.

Bahn: Fragen „vollumfänglich beantwortet“

Zwei Gegner gegen fünf Befürworter, in dieser Mannstärke saßen sich die Sachverständigen bei der zweistündigen Anhörung im Paul-Löbe-Haus gegenüber. Die Bahn, vertreten durch Vorstand Volker Kefer, Projektchef Manfred Leger, Brandschutzbeauftragten Klaus-Jürgen Bieger und Florian Bitzer, erkannte keine neuen Fragen und schon gar keine Probleme bei dem auf 6,5 Milliarden Euro kalkulierten Vorhaben. Alle Fragen seien „vollumfänglich beantwortet“.

„Nachbesserungen“, so Kefer, werde es zwar jetzt beim Anschluss des Flughafens an das Gleisnetz geben, das Extragleis für die Gäubahnzüge komme aber nicht, weil die Bahn-Planung nicht leistungsfähig wäre. „Sonst würden die Projektpartner das Gleis nicht mitzahlen“, so Kefer. Die neue Lösung werde in einem Zusatzvertrag vereinbart und sei damit „kein Teil von Stuttgart 21“.

Die Kosten sind laut Kefer „stabil“, es gebe einen erkennbaren Fortschritt der Arbeiten, so dass er keine Veranlassung habe, an einer Inbetriebnahme Ende 2021 zu zweifeln, der Rohbau werde 2019 fertig. Beim Brandschutz und beim Rettungskonzept sei man mit der Rechnung von 16 164 zu rettenden Reisenden „absolut auf der sicheren Seite“, versicherten Leger und Bieger.

Kritiker: „Lebensgefährlicher Risikobahnhof“

Unterstützung erhielten die Bahn-Vertreter durch Professor Ullrich Martin vom Stuttgarter Uni-Institut für Eisenbahnwesen. Zwar müssten Bahnhöfe im Grundsatz ohne Neigung gebaut werden, die kritisierte Schräglage in Stuttgart (15,1 statt 2,5 Promille) sei aber eine durchaus mögliche Abweichung von der Regel.

Als ihre Sachverständigen hatten Grüne und Linke Matthias Lieb vom Verkehrsclub Deutschland und den „Stern“-Autor Arno Luik berufen. Für Luik, der seine Redezeit hemmungslos überzog, ist die achtgleisige Durchgangsstation ein „Quälbahnhof“, was den Komfort für Reisende angehe, und ein „lebensgefährlicher Risikobahnhof“, was den Brandschutz betreffe. Außerdem werde die bestehende Infrastruktur zurückgebaut, und wenn im Kölner Hauptbahnhof bei geringerer Gleisneigung in fünf Jahren 17 Züge unbeabsichtigt ins Rollen gekommen seien, drohe in Stuttgart größerer Schaden. Da bei S 21 noch kein einziger Zeitplan eingehalten worden sei, könnte die Fertigstellung aus Luiks Sicht auch bis 2035 dauern.

Matthias Lieb argumentierte sachlich. Aus seiner Sicht gibt es wegen der Schräglage nicht geklärte Sicherheitsprobleme. Das Eisenbahn-Bundesamt als Genehmigungsbehörde wolle sie erst bei der Genehmigung zur Inbetriebnahme klären. Das aber sei zu spät, so Lieb, denn mögliche Einschränkungen könnten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des ganzen S-21-Systems haben. „Es wird viel Geld ausgegeben, ein weiterer Ausbau der Infrastruktur gegenüber heute findet aber nicht statt“, lautete die Bilanz des Bahn-Fachmanns.

Wegen möglicher Einschränkungen im Betrieb dürfe das Thema Kombibahnhof, also der Erhalt eines Teils der oberirdischen Gleisanlagen, kein Tabu mehr sein, sagte Matthias Gastel bei einer Pressekonferenz nach der Anhörung. Die S-21-Gegner wollen weiter Druck machen. Zum Beispiel vor dem Bundesverwaltungsgericht, das die Mitfinanzierung der Stadt prüfen wird. Gastel und Leidig fordern vom Bundesrechnungshof die Offenlegung von Zahlen. „Es wird gemunkelt, dass von elf Milliarden Euro die Rede ist", sagte Leidig.