Hinter diesem Bauzaun im Schlossgarten wird eine Anlage für das Grundwassermanagement gebaut. Foto: dapd

Beim Grundwassermanagement zweifeln Projektgegner an der Kompetenz von Experten.

Stuttgart - Radikale Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 wollen an Gesprächen mit Schlichter Heiner Geißler nur teilnehmen, wenn auch der Bau zum Grundwassermanagement gestoppt wird. Was mit Grundwassermanagement genau gemeint ist, wissen nur wenige - auch weil öffentlich oft mit Halbwissen argumentiert wird.

Was Matthias von Herrmann am Montag im ARD-Morgenmagazin der Landeshauptstadt prophezeiht, dürfte im Ergebnis manche an Orkan Lothar erinnern. "Es geht nicht nur um die Bäume hier im Park, sondern um die gesamten Bäume in Stuttgart." Die Landeshauptstadt eine baumlose Ödnis infolge von Stuttgart 21? Von Herrmann, Sprecher der Parkschützer, erklärt den Fernsehzuschauern, dass durch das Bahnprojekt das Grundwasser "dauerhaft" abgesenkt werde. Viele, viele Bäume würden deshalb verenden, nicht nur im Schlossgarten. Deshalb kann ein Gespräch mit Schlichter Heiner Geißler und den Projektträgern nur zustande kommen, wenn auch der Bau der zentralen Anlage fürs Grundwassermanagement am Südflügel des Hauptbahnhofs gestoppt würde.

"Hier sind doch keine Stümper am Werk"

Dieses plakativ skizzierte Horrorszenario hat tatsächlich einen sehr komplizierten geologischen wie bautechnischen Hintergrund, den von Herrmann mit dem Begriff Grundwasserabsenkung nur unzureichend erfasst hat. Für die Stuttgart-21-Ingenieure stellt die Geologie des Stuttgarter Untergrunds mit Grund- und Mineralwasser eine Herausforderung dar, die sich nach dem heutigen Stand der Technik meistern lässt, sagt Werner Sobek in einer Broschüre der Projektträger. Der Architekt und Ingenieur leitet das Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren an der Uni Stuttgart und ist Tragwerksplaner des neuen Bahnhofs. "Hier sind doch keine Stümper am Werk".

Worum geht es? Nicht nur um die Bäume, denen durch den Trog des Tiefbahnhofs laut Parkschützer das Lebenselixier, ausreichend Feuchtigkeit, entzogen wird, sondern auch ums Mineralwasser, das im Bereich des Bahnhofs ab einer Tiefe von etwa 60 Metern an vorkommt. Die näher an der Erdoberfläche gelegene Grundwasserschicht und das Mineralwasser trennt eine wasserundurchlässige Gesteinsschicht. Vereinfacht ausgedrückt stehen der Druck des Grundwassers von oben und der durch die Kohlensäure hervorgerufene Auftrieb des Mineralwassers im Gleichgewicht zueinander.

Jeder Eingriff in die Grundwasserschicht - etwa durch den Bau des Tiefbahnhofs - stört dieses Gleichgewicht, als nähme man eine Last vom Mineralwasser. Die Bodenplatte des unterirdischen Bahnhofs liegt in zehn Meter Tiefe, die zum Fundament zählenden Bohrpfähle enden in 25 Meter Tiefe, also 35 Meter vor der Mineralwasser führenden Schicht. Im schlimmsten Fall bricht das reine Mineralwasser nach oben durch und vermischt sich mit belastetem Grundwasser. Die heilende Wirkung ginge verloren, was selbst Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster als Projektträger jetzt als K.O.-Kriterium für Stuttgart 21 bezeichnet hat.

Um die Wasserhaltung am Tiefbahnhof ranken sich Legenden

Ein so genanntes Grundwassermanagement soll eben das verhindern. Die Baugenehmigung für den Tiefbahnhof hatte die Bahn nur in Verbindung mit umfangreichen und komplizierten Maßnahmen dazu erhalten. Dafür mussten im Mittleren Schlossgarten 25 Bäume gefällt werden. Der Planfeststellungsbeschluss umfasst allein fürs Grundwassermanagement an die 150 Seiten. Herzstück ist eine zentrale Aufbereitungsanlage für verschmutztes Grundwasser am Südflügel des Hauptbahnhofs samt rund 17 Kilometern ober- und unterirdischer Rohrleitungen. Sie führen zu zahlreichen Brunnen, die gegraben werden müssen. Dort wird das gereinigte Wasser, das laut Bahn "über dem Standard für Trinkwasserqualität" liegt, wieder dem Erdreich zugeführt. So soll der Grundwasserspiegel gehalten und ein Heraufdrücken des Mineralwassers verhindert werden.

Sorgen der Projektgegner erwidern Projektträger gerne mit dem Verweis auf S- und Stadtbahntunnel oder auf das Parkhaus des Hotels am Schlossgarten, alles im Grundwasser gebaut. Fakt ist aber auch, dass ein circa 800 Meter langer Betontrog nicht mit einem im Querschnitt kleineren Stadtbahntunnel zu vergleichen ist. Um Verwerfungen beim Grundwasser zu vermeiden, wird zusätzlich die Grube für den Tiefbahnhof abschnittsweise ausgehoben. Bisher hat die Bahn zudem an über 90 Messstellen Daten über den Grundwasserhaushalt erfasst. Der Architekt Frei Otto, Sobeks Vorgänger an der Uni Stuttgart und einst Mitplaner am Tiefbahnhof, war einer der prominentesten Kritiker des Konzepts zur Beherrschung des Grundwassers. Der Tiefbahnhof würde aufgeschwemmt wie ein U-Boot, war immer wieder zu hören. Derlei Gegenwind kontert Sobek mit Begriffen wie "böswillige Behauptung" oder "Unfug".

Um die Wasserhaltung am Tiefbahnhof ranken sich Legenden

Den Tiefbahnhof trügen 2800 Betonpfähle ergänzt durch 900 Zugpfähle unter einer 1,60 bis 2,50 Meter dicken Betonplatte. Nach Fertigstellung sorgt nach Ansicht der Planer das Gewicht des Tiefbahnhofs samt Fundament für ausreichend Druck, um das Mineralwasser in der Tiefe zu halten. Das Grundwasser, kein stehendes Gewässer, soll laut Bahn unter dem Trog hindurchfließen. Angesichts dieser Randbedingungen bescheinigte Christoph Ingenhoven, Sieger des Architektenwettbewerbs, seinem Kollegen Frei Otto Inkompetenz.

Rund um die Wasserhaltung am Tiefbahnhof ranken sich noch andere Legenden. Zum Beispiel jene, dass der aus dem Jahr 1927 stammende Hauptbahnhof auf Pfählen aus Eichenholz ruhe. Auch hier winkt Tragwerksplaner Sobek ab: "Bisher wurden bei der Untersuchung zur Gründung des Hauptbahnhofs nur Betonpfähle entdeckt." Weil sich nach Fertigstellung der ursprüngliche Grundwasserhorizont wieder einstelle, würden auch Eichenholzpfähle, so es sie denn gebe, nicht betroffen.