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Moderne Tunnelbohrtechnik wird kaum berücksichtigt – könnte aber Einsparungen bringen.

Stuttgart - Er hatte gedroht, seine Koffer zu packen und in die Schweiz zu ziehen, wenn das Bahnprojekt Stuttgart 21 nach 20 Jahren Planung im politischen Streit untergehen sollte. Doch Stuttgart 21 kommt, und Martin Herrenknecht, Vorstandschef der Herrenknecht AG, ist geblieben. In Allmannsweiler, einem Ortsteil der 6800-Seelen-Gemeinde Schwanau in Südbaden. Hier ist die Firma, hier ist er Ehrenbürger.

Herrenknecht ist Gründer und Chef des weltweit führenden Herstellers von Tunnelvortriebsmaschinen. Wer glaubt, bei dem 70-Jährigen sei mit dem Baustart von Stuttgart 21 Altersruhe eingekehrt, irrt. „Das Land mit der besten Infrastruktur wird die beste Entwicklung haben. Wenn Grüne gegen dieses Projekt sind, ist das idiotisch“, poltert er gegen die Regierung. Auch die nächsten vier Jahre Grün-Rot werde er „überleben“, sagt Herrenknecht bei einem Treffen am Unternehmenssitz. Nächstes Jahr werde er Winfried Kretschmann einladen: „Ich habe keine Berührungsängste.“

Sprengen und Abgraben gegen den maschinellen Tunnelvortrieb

Auch wenn seine Büromöbel glänzend weiß sind: Tief im Innern ist Herrenknecht ein Schwarzer. Sein Herz schlägt rechts, für die CDU, für die er 2009 genau 70 000 Euro spendete. Das kam bei den Beschenkten gut an, bei vielen andern nicht. Der Mann aus Schwanau spekuliere auf Aufträge, wurde Herrenknecht vorgeworfen.

Tunnelbauaufträge hat die Bahn noch immer zu vergeben. Nicht mehr für ihre bis zu 4,5 Milliarden Euro finanzierte neue Infrastruktur in Stuttgart, aber auf der 60 Kilometer langen Strecke von Wendlingen nach Ulm. Auf der Hälfte der Weglänge werden die Züge mit bis zu 250 Kilometer pro Stunde durch Betonröhren rasen. Weil für jede Fahrtrichtung ein extra Tunnel gebaut wird, ergeben sich wieder 60 Kilometer. Herrenknecht will den größeren Teil davon mit Maschinen graben. Aber die Bahn will nicht.

Die Deutsche Bahn hat bereits im Februar die Kalkulationsunterlagen an Anbieter für den Rohbau des 8,8 Kilometer langen Boßlertunnels und des 4,8 Kilometer langen Steinbühltunnels verschickt. „Die Ausschreibung ist auf dem Weg“, kommentiert Herrenknecht, „aber auf dem falschen!“ Die Planer der Bahn verzichteten hier auf alternative Angebote – also den Wettbewerb des konventionellen Tunnelbaus mit Sprengen und Abgraben gegen den maschinellen Tunnelvortrieb. Dieser Wettbewerbsverzicht könnte Herrenknecht Aufträge und den Steuerzahler viel Geld kosten.

„Allein der maschinelle Vortrieb des Boßlertunnels könnte 70 bis 100 Millionen Euro billiger kommen als die konventionelle Methode“, sagt der Vollblutunternehmer. Auch beim Albvorlandtunnel (8176 Meter) und dem Albabstiegstunnel (5940 Meter) fordert er Chancengleichheit ein. „Manche bei der Bahn hängen sehr an der alten Technik aus dem 19. Jahrhundert“, kritisiert der Firmenchef. Den maschinellen Vortrieb nicht in Betracht zu ziehen, sei „eine Provokation gegen meine Mitarbeiter, einfach unfair“, redet sich der Unternehmer in Rage. S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich kontert. Ein Tunnelbaulos sei alternativ ausgeschrieben, sagt er.

Seine Qualitäten habe der maschinelle Tunnelbau beim Katzenberg (Bahnstrecke Karlsruhe–Basel) und bein Finnetunnel (Erfurt–Leipzig/Halle) gezeigt, so Herrenknecht. „Wir waren acht und vier Monate vor Plan fertig und im Katzenberg nur zehn Prozent teurer als geplant.“Zehn Prozent über Plan als Ausweis besserer Technik? „Schauen sie sich den Engelbergtunnel und die Strecke Nürnberg–München an , die waren doppelt so teuer wie geplant“, kontert Herrenknecht.