Das Aktionsbündnis gegen S 21 fühlte am Montag zwei Bewerbern für Stuttgarts OB-Sessel auf den Zahn. Andere Kandidaten, die für Stuttgart 21 sind, durften im Gewerkschaftshaus nicht ran.
Stuttgart - Hier der erfahrene Politprofi Fritz Kuhn von den Grünen, dort der jugendliche Draufgänger Hannes Rockenbauch von der SÖS – das Aktionsbündnis gegen S 21 fühlte am Montag zwei Bewerbern für Stuttgarts OB-Sessel auf den Zahn. Andere Kandidaten, die generell oder irgendwie und irgendwo für Stuttgart 21 sind, durften im Gewerkschaftshaus nicht ran.
Rockenbauch, einer der Stars der Projektgegner, zelebrierte sein Heimspiel. Für den Kontrahenten von den Grünen, die manchen als Verräter am Widerstand gelten, wurde der Abend zur Reifeprüfung. 500 Menschen interessierte: Kann man den Grünen doch wählen?
Fast am Ende der zweistündigen Veranstaltung, um 21.45 Uhr, brachte Rockenbauch seine Strategie vollends auf den Punkt. Er wolle nicht nur Turner verhindern, sondern auch S 21. Er kenne Stadtverwaltung und Gemeinderat und habe den Städtebau drauf. Bei ihm sei die Ablehnung von S 21 kein taktisches Spielchen. Er stehe für den Wechsel, nicht für den Austausch einer Person. Er würde vom Vetorecht Gebrauch machen und Gelder für S 21 nicht überweisen. Da die Geschäftsgrundlage für S 21 entfallen sei, dürfe der OB auch gar nicht mehr mitmachen. Er würde mit einer Organschaftsklage gegen das Projekt vorgehen und Probleme gutachterlich und juristisch aufarbeiten lassen. Kuhn fehle der Willen, das Projekt zu beenden.
Der Grüne wehrte sich, das Etikett des Pessimisten verpasst zu bekommen, während Rockenbauch den Optimisten gibt. Verträge seien aber nicht ungültig, „wenn der Hannes das sagt, sondern wenn Gerichte das über mehrere Instanzen entschieden haben“. Ein OB habe kein Vetorecht. In allen zuständigen Parlamenten seien im Moment aber die Mehrheiten pro S 21. Angesichts von Rockenbauchs acht Jahren im Gemeinderat wundere er sich über dessen Naivität.
Richtig sei, sagte auch Kuhn, dass ein OB die Finger in die Wunden legen und Aufklärung verlangen könne. Versprechen, dass das „nicht sinnvolle“ Projekt mit Sicherheit auf der Strecke bleibe, werde er freilich nicht.
Am weitesten wagte sich Kuhn vielleicht vor, als er sagte, wenn der Tiefbahnhof einen Rückbau von Verkehrskapazität bedeuten würde, wäre er gesetzeswidrig. Die anfängliche Bemerkung, dass er dieses Ergebnis erst mal sehen wolle, war den meisten aber zu lau. Für sie ist das längst klar. Unwillen wurde auch laut, als Kuhn sagte, falls der Tiefbahnhof fertig werde, dürfe der Kopfbahnhof frühestens ein Jahr später abgebaut werden. So blieben Zweifel, wie die Reifeprüfung für ihn endete. Immerhin wusste er kraftvoll den oft gehörten und von Rockenbauch wieder angestachelten Vorwurf zurückzuweisen, dass die Grünen ihre Überzeugung für die Regierungsbeteiligung verkauft hätten. Hätten sie nicht mit der SPD koaliert, sondern sich nach 60 Jahren CDU-Herrschaft für die Opposition entschieden hätten, „wären wir mit der Narrenkappe durchs Land gezogen worden“, sagte Kuhn.