Diplom-Ingenieur Cem Arat erklärt den siegreichen Entwurf seiner Arbeitsgemeinschaft. Jurychef Franz Pesch und Landschaftsarchitekt Joachim Köber (von links) hören zu, ebenso Baubürgermeister Peter Pätzold, OB Fritz Kuhn und Arats Partner Markus Weismann (von rechts). Foto: Max Kovalenko

Das Preisgericht hat entschieden. Es findet einen Entwurf mit Gleisbogenpark überzeugend. Aber vieles ist noch offen.

Stuttgart - Das städtebauliche Skelett der künftigen Stuttgart-21-Stadtviertel nimmt langsam Gestalt an. Die Stadt peilt auf dem Areal den Bau von 7500 Wohnungen an. Nach dem internationalen städtebaulichen Wettbewerb für das Rosensteingelände haben Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) und der Preisgerichtsvorsitzende Franz Pesch am Dienstag die Sieger präsentiert.

Den ersten Preis gab es für ein Konzept mit Blockbauten und einem Gleisbogenpark zwischen der Wolframstraße und dem bisherigen Lokomotivschuppen am Rande des Rosensteinparks. Er ging an die Arbeitsgemeinschaft aus den Stuttgarter Büros ASP Architekten und Köber Landschaftsarchitektur. Den zweiten Preis vergab die Jury für eine recht gegensätzliche Arbeit des Planungsbüros Laux Archiekten in Zusammenarbeit mit Terra Nova Landschaftsarchitektur (Stuttgart/München). Darin sind am Endpunkt des S-21-Areals am Übergang zur Mittnachtstraße einige bis zu 90 Meter hohe Gebäude vorgesehen.

Diese beiden Preisträger sollen ihre Entwürfe nun überarbeiten. Noch vor den Sommerferien soll die Jury empfehlen, welchen Entwurf die Stadt zur Grundlage ihrer weiteren Planungen machen soll, sagte Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne).

Unterschiedliche Standorte für Konzerthaus und Linden-Museum

Unterschiede gibt es unter anderem bei den Standorten für die geplanten Kultureinrichtungen Konzerthaus, Kongresszentrum und Neubau für das Linden-Museum. ASP Architekten haben das Konzerthaus am „Gelenk“ von wichtigen S-21-Teilflächen bei der Wolframstraße vorgesehen, wo der Gleisbogenpark mit zentralem Radweg, Bewegungsflächen, sozialen und kulturellen Nutzungen stadtnah ins Umfeld des neuen Tiefbahnhofes münden soll. Das neue Linden-Museum siedelten sie am Rande des Rosensteinparks an, wohingegen Laux Architekten das Museum an der Wolframstraße verorten, das Konzerthaus am Manfred-Rommel-Platz. Dort sehen beide Büros auch das Kongresszentrum vor. Letztlich seien das aber nur Platzhalter, sagte der OB. Der Gemeinderat habe über die Standorte noch nicht entschieden: „Wir wissen bisher nur, dass wir ein neues Kongresszentrum wollen, dass wir ein Konzerthaus brauchen und dass das Linden-Museum einen Neubau bekommen soll.“

Der mit dem ersten Preis bedachte Entwurf wurde von Kuhn und den anderen Preisrichtern als überzeugend betrachtet: wegen der „guten Einbindung der Kultureinrichtungen“ und wegen des grünen Bandes des Gleisbogenparks. Aber auch, weil vier neue Quartiere räumlich und baulich stark an bestehende Stadtviertel anschließen und miteinander verbunden würden. Im Entwurf würden die wesentlichen Verbindungsachsen weitergeführt. Alle wichtigen Teile des Kulturdenkmals Gleisbogen, den die Bahn mit anderen Gleisflächen aufgibt, blieben weiter erlebbar.

In der Mitte der Quartiere ist immer ein öffentlicher Platz mit Einzelgebäude, Quartiersparkhaus und Gemeinschaftseinrichtungen vorgesehen, Quartier-Hub genannt. In den Gebäuden gibt es einen Nutzungsmix: in den Erdgeschossen zumeist Gewerbe, in den Obergeschossen Wohnungen. Bauwerke mit bisherigen Gleiskreuzungen, „Überwerfungsbauwerke“ genannt, sollen erhalten und kulturell bespielt werden. Zudem ist eine Art Kulturachse zwischen Wagenhallen und heutigem Lokomotivschuppen vorgesehen, dort auch ein Schulcampus. Der Radschnellweg soll durch den historischen Rosenstein-Bahntunnel bis Bad Cannstatt führen.

Radfahrer-Autobahn bis zum Manfred-Rommel-Platz

Der zweite Preisträger setzt auf eine Radfahrautobahn an der Kante zum Schlossgarten, die am Manfred-Rommel-Platz enden würde. Die vier Quartiere in diesem Entwurf sind sehr unterschiedlich ausgeprägt, teilweise autofrei. Bei der Mobilität setzt das Konzept stark auf Digitalisierung und Car-Sharing-Kultur, daneben auf eine Baumpflanzung pro neuer Wohnung für den Klimaschutz sowie genossenschaftliches Wohnen am Park. Das eigentliche Rosensteinquartier nah am Park wird als Zukunftsquartier und Kontrapunkt zu traditionellen Stadtvierteln angelegt mit Wohnhochhäusern.

Hier sah das Preisgericht aber Nachbesserungsbedarf, was den Parkabschluss angeht, die Abstandsflächen der Gebäude und mögliche Verschattungsprobleme. Manche Hochhäuser seien beliebig platziert. Aber auch beim erstplatzierten Entwurf fand man den Umgang mit der Parkkante sowie den Eingriff für den Schulcampus in den Park nicht überzeugend. Zudem seien Flächen für das angepeilte Schienen-Nordkreuz (zur Ergänzung von Stuttgart 21) und für eine mögliche Erhaltung der bisherigen Gäubahntrasse nicht berücksichtigt. Unterm Strich galt der siegreiche Entwurf als nicht ganz so zukunftsgewand und mutig wie der zweitplatzierte. Dessen Mobilitätskonzept wiederum sei nicht konsequent ausgearbeitet. Außerdem werde der Gleisbogen im zweitplatzierten Entwurf nur teilweise erhalten. Jurychef Pesch sagte, ob die Quartiere am Ende dicht wie in Stuttgart-West bebaut würden oder ganz anders, sei nicht entschieden. Die Vorgaben an „unglaublichen Mengen von Schulflächen“ sei im Wettbewerb eine Bürde gewesen.

Der Wettbewerb für 85 Hektar bisherige Gleisflächen war zweistufig. Zunächst gingen 54 Entwürfe ein. Ende November wurden elf für die zweite Stufe ausgewählt. Am Schluss waren noch vier in der engeren Wahl. Jetzt, so der OB, müsse die Bahn mit S 21 halt noch fertig werden. Frühestens 2026 dürften erste Flächen frei werden.

Auch ein dritter und ein vierter Preis wurden vergeben

Hinter dem ersten Preis, dotiert mit 70 000 Euro, und dem mit 50 000 Euro dotierten zweiten Preis platzierten sich die Arbeitsgemeinschaft Herrmann + Hornung/Johannes Jörg/Grüne Welle Landschaftsarchitektur aus Stuttgart (dritter Preis und 35 000 Euro) sowie Tovatt Architects & Planners/Ramboll und Studio Dreiseitl (Stockholm/Überlingen) mit dem vierten Preis und 20 000 Euro Preisgeld.

Im Sommer soll das Preisgericht eine Empfehlung abgeben, welches Konzept die Stadt weiterverfolgen soll. Das letzte Wort hat der Gemeinderat. Dann entstehen ein Rahmenplan und Bebauungspläne. Für manche Teilgebiete wird es noch spezielle Architektenwettbewerbe geben.

Alle elf eingereichten Arbeiten aus der zweiten Phase des Wettbewerbs werden für die Öffentlichkeit im Stadtpalais vom 11. April, 12 Uhr, bis zum 18. April, 17 Uhr, zu sehen sein.