Das Haus in der Sängerstraße 4 wird abgerissen Foto: Leif Piechowski

Spätestens am Sonntag muss ein pensionierter Lehrer seine Wohnung in der Sängerstraße 4 räumen. Das hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden. Das Haus muss dem Bahnprojekt Stuttgart 21 weichen.

Stuttgart - Der Deutschen Bahn steht für den Bau des Fildertunnels, der den geplanten Tiefbahnhof mit dem Flughafen verbindet, nichts mehr im Weg. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) lehnte am Freitag den Antrag eines Wohnungseigentümers aus der Sängerstraße 4 ab, mit dem dieser gegen die sogenannte vorzeitige Besitzeinweisung vorgehen wollte. Die Besitzeinweisung durch das Regierungspräsidium (RP) erlaubt der Bahn den Gebäudeabriss. Sie ist ein Mittel, um das Baurecht für genehmigte Vorhaben durchsetzen zu können. Für den rund 9,5 Kilometer langen Fildertunnel des Projekts Stuttgart 21 hat die Bahn seit 2005 Baurecht, für den Tiefbahnhof seit 2006.

Der Wohnungsbesitzer, ein pensionierter Lehrer, ist grundsätzlich gegen das Projekt Stuttgart 21. Er hatte sich bereits 2006 vor dem VGH gegen den Planfeststellungsbeschluss, also die Baugenehmigung, gewandt, verlor aber. Anfang April 2013 scheiterte er in der letzten Instanz vor dem Bundesverfassungsgericht. Nun hatte er eine neuen Klage gegen die auf den 23. September terminierte Besitzeinweisung erhoben. Sie gibt der Bahn das Recht, das Wohnhaus abzureißen. Auf dem Grundstück soll die Einfahrt für den Fildertunnel gebaut werden. Das Gericht entschied im Eilverfahren gegen den Kläger und begründete die Ablehnung damit, dass das Grundstück „eine Schlüsselstellung für den Bau der Tunneleinfahrt“ habe. Das RP dürfe der Bahn den Besitz vorzeitig, also vor einem förmlichen Enteignungsverfahren, zuweisen. Die Behörde müsse nicht abwarten, bis sämtliche noch nicht abgeschlossene Änderungen an den bestehenden Bahnplänen genehmigt seien. Laut VGH spricht „auch nichts dafür, dass die Umsetzung des Projekts an Finanzierungsfragen scheitern werde“.

Abrissarbeiten werden laut Bahn "zeitnah" stattfinden

Der Wohnungseigentümer hatte argumentiert, trotz intensiver Suche keine Ersatzbleibe gefunden zu haben. Laut Gericht konnte er aber „nicht glaubhaft machen, dass er sich tatsächlich schon seit 2006 und nicht erst in jüngster Zeit um eine Ersatzwohnung bemüht“ habe. Dieses Verhalten könne ihm nun nicht zum Vorteil gereichen. Das öffentliche Interesse am Bau werteten die Richter höher als sein Interesse, in der Wohnung bleiben zu können.

Ein Sprecher des Stuttgart-21-Kommunikationsbüros sagte, der Hausabriss und die weiteren Bauarbeiten würden „zeitnah“ stattfinden. Die Bahn sehe ihre Argumentation „auf ganzer Linie bestätigt“. In seinem Beschluss hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs dem Vernehmen nach auch die Höhe der Entschädigung bestätigt. Die Bahn nimmt an, dass der Eigentümer den Beschluss akzeptiert und das Haus nun als letzter Wohnungseigentümer spätestens am Sonntag ohne weiteres Aufheben verlässt.

Die Bahn stößt bei ihrem Bauvorhaben nicht nur in der Sängerstraße auf Widerstand. Für den Tunnelbau benötigt sie mehrere Tausend Eintragungen in Grundbücher. Die Betroffenen können zwar mit einer Entschädigung rechnen, dennoch wird die Zustimmung für die Eintragung zuweilen verweigert. Das Regierungspräsidium versucht dann im ersten Anlauf in einem Gespräch eine Einigung zu erreichen. Für Dienstag, 24. September, hat das RP Verhandlungen mit fünf widerstrebenden Eigentümern aus der Kriegerstraße 16 und der Vordernbergstraße 9, 11 und 13 angesetzt.