Laut einem vertraulichen Gutachten des Bundesrechnungshof wird Stuttgart 21 teurer. Foto: dpa

Die Bonner Kontrollbehörde sieht die Gefahr, dass Stuttgart 21 zehn Milliarden Euro kosten und erst 2023 fertig werden könnte. Die Prüfer sehen den Bahn-Aufsichtsrat in der Pflicht.

Stuttgart - Der Bundesrechnungshof warnt davor, Stuttgart 21 könne noch teurer und später fertig werden. Das geht aus einem streng vertraulichen zweiten Gutachten für den Deutschen Bundestag hervor, das dieser Zeitung vorliegt. Die oberste Finanzkontrollbehörde kommt zum Ergebnis, dass das bereits mehrfach verteuerte Tunnelprojekt, das die Deutsche Bahn offiziell bereits auf 6,5 Milliarden Euro veranschlagt, am Ende fast 10 Milliarden Euro kosten wird.

Projektrisiken und Kosten von fast zwei Milliarden Euro sowie Bauzinsen von einer Milliarde Euro seien bisher in den Rechnungen der DB nicht enthalten, heißt es in der 18-seitigen Expertise. Einige Chancen seien überdies „zu optimistisch eingerechnet“. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, das S 21 frühestens im Jahr 2023 in Betrieb gehen könne „und kaufmännisch sogar erst 2027 abgeschlossen wird“, schreiben die Experten weiter. „Dies hätte zur Folge“, so das Fazit, „dass sich die zu erwartenden Mehrkosten weiter erhöhen und die DB AG noch mehr Eigenmittel für das Projekt einsetzen muss“. Die Gefahr einer zwei jährigen Verzögerung hatte die Bahn nach einer eigenen Bestandsaufnahme des Projektsbereit gegenüber dem Aufsichtsrat im Juni eingeräumt.

Bundesrechnungshof sieht Gefahr für wirtschaftliche Lage der Bahn

Der Bundesrechnungshof hat wichtige Bahn-, Aufsichtsrats- und Regierungsunterlagen über eine Zeitraum von mehr als drei Jahren geprüft und bewertet. Es bestünden „zahlreiche Anhaltspunkte“, dass der aktuell veranschlagte Kostenrahmen bis zum geplanten kaufmännischen Projektabschluss 2025 „erheblich überschritten werden könnte“, so das Gutachten. Das könnte die ohnehin schon angespannte wirtschaftliche Lage der DB AG weiter verschlechtern, warnen die Prüfer. Dadurch könnten der Unternehmenswert und die Auszahlung der Bahndividende an den Bund beeinträchtigt werden.

Nach der aktuellen Mittelfristplanung benötigt der bereits mit 18 Milliarden Euro hochverschuldete Staatskonzern bis Ende 2020 rund 2,5 Milliarden Euro Eigenmittel für S21. In den folgenden Jahren würden nach bisheriger Planung weitere 1,1 Milliarden gebraucht. „Hinzuzurechnen wären die vom BRH erwarteten Mehrkosten“, so die Prüfer, also mindestens nochmals 3 Milliarden Euro DB-Eigenmittel für S21. Das werde die Rentabilität des Konzerns belasten. Schon jetzt habe die Bahn „zahlreiche Probleme“ bei der Bereitstellung eines intakten Schienennetzes sowie im Güter-, Fern- und Regionalverkehr.

Bahnaufsichtsrat solle sich mit der Wirtschaftlichkeit von S21 beschäftigen

Der Bundesrechnungshof schreibt in seinem Fazit an das Parlament, dass man erwarte, dass die Regierungsvertreter im DB-Aufsichtsrat nun auf eine „zeitnahe Befassung“ des Kontrollgremiums „mit der Frage der Wirtschaftlichkeit des Projekts Stuttgart 21 hinwirken“. Dabei sollten, so die Prüfer, „die Auswirkungen auf den DB-Konzern berücksichtigt werden“. Der BRH hatte seine erneute S21-Prüfung im Frühjahr 2013 eingeleitet. Damals hatte der DB-Aufsichtsrat nach einer erneuten Kostensteigerung um 2 Milliarden Euro den Weiterbau trotz ungeklärter Finanzierung, hoher Baurisiken und fraglicher Wirtschaftlichkeit beschlossen.