Bisher nur auf einem Plakat: Der Baustopp von Stuttgart 21 Foto: dpa

Stuttgart21-Gegner wollen auch nach einem Regierungswechsel weiter Widerstand leisten.

Stuttgart - Die Gegner des Projekts Stuttgart21 wollen ihren Widerstand auch bei einem Wechsel der Landesregierung fortsetzen. Aktionen bis hin zu Sitzblockaden seien bis Ende Mai geplant, sagt Matthias von Herrmann, Sprecher der sogenannten Parkschützer. Grüne und SPD setzen auf einen Volksentscheid.

Obwohl der Urnengang noch aussteht, werden bei den Parkschützern die nächsten Aktionen gegen den Tiefbahnhof geplant. "Wir wollen Druck auf Koalitionsgespräche machen. Wer das Projekt nicht beerdigt, sollte an unseren Widerstand denken", warnt von Herrmann.

Statuten schreiben einstimmige Beschlüsse vor

Grüne und SPD bekräftigten am Freitag, dass sie einen Volksentscheid zu dem 4,1 Milliarden Euro teuren Bahnhofs- und Streckenbau durchführen wollen. Zunächst aber sollen die Ergebnisse des von der Bahn in der Stuttgart-21-Schlichtung zugesagten Stresstests vorliegen. Die Bahn will sie im Juni präsentieren. Der Volksentscheid könnte im Frühherbst folgen, sagte Werner Wölfle von den Stuttgarter Grünen auf Anfrage. Seiner Meinung nach wird im Fall eines Wahlsiegs von Grün und Rot sofort wieder die Forderung nach einem Bau- und Vergabestopp erhoben werden. Sehr schnell sollten dann Verhandlungen mit der Bahn AG über die Verbindung des Konzepts Kopfbahnhof21 mit den Plänen für die ICE-Neubaustrecke Stuttgart-Ulm beginnen. "Die Anbindung unseres Flughäfeles wäre dann vom Tisch", sagt Wölfle.

Die Sozialdemokraten halten den Bau- und Vergabestopp für sinnvoll, verweisen aber darauf, dass das Land dafür juristisch keine Handhabe hat. "Wir würden aber erwarten, dass die Bahn AG und vor allem der Bund den politischen Willen im Land respektieren und selbst einen Baustopp verfügen", sagte Roland Peter, Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, auf Anfrage. Mit den Grünen vereinbart sei bisher nur, dass es einen Volksentscheid nach dem Stresstest für die Bahnpläne geben solle. "Dass bis zum Volksentscheid weitergebaut würde, wäre aber völlig widersinnig", ergänzte Andreas Reißig, Sprecher der Landes-SPD. Ein Problem sieht er aber nicht, weil schon in den letzten Wochen kaum etwas vergeben und gebaut worden sei.

Die Bahn AG hielt sich am Freitag bedeckt. Jede Verzögerung, zumal ein monatelanges Moratorium, koste alle Partner Geld, hieß es. Über dieses Geld entscheidet der Stuttgart-21-Lenkungskreis. Ihm gehören der Ministerpräsident und Bahn-Chef Rüdiger Grube an. Die Statuten schreiben einstimmige Beschlüsse vor.

"Wir bewerben uns um Aufträge"

Die Parkschützer sehen im Volksentscheid keine Lösung. "Warum sollte man über ein verfassungswidrig finanziertes Projekt abstimmen?", fragt Matthias von Herrmann. Landesweit sei das vorgeschriebene Quorum von 33 Prozent der Wahlberechtigten eine kaum zu nehmende Hürde, eine Absenkung im Landtag wegen der vorgeschriebenen Zweidrittelmehrheit nicht möglich. Eine neue Regierung müsse sich beim Bundesverkehrsminister für einen Baustopp einsetzen. Überdies werde weiter geplant: am Montag die nächste Demo, am 16. April die nächste Großdemonstration, für den 23. und 24. Mai Blockadeaktionen an der Baustelle.

Dort geht es seit Wochen eher ruhig zu. Die Bahn hat vor Monaten den Aufbau von 17 Kilometer Rohrleitungen angekündigt, in denen zu reinigendes Grundwasser aus den Baugruben fließen soll. Der Bahn-Konzernbevollmächtigte Eckart Fricke hatte am 14. Februar dem Bezirksbeirat Mitte die Lage der Rohre erläutert, die Veröffentlichung eines Plans gegenüber unserer Zeitung aber abgelehnt. Begründung: Der Gestattungsvertrag mit der Stadt stehe noch aus. Der Vertrag "ist am 15. Februar unterzeichnet worden", sagte aber der S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich am Freitag. Dass noch immer keine Leitungen liegen, sei nicht der Wahl geschuldet. Man baue nur deshalb noch nicht, weil Detailabsprachen mit der Stadt nicht beendet seien.

"Wir bewerben uns um Aufträge"

Laut ihrer Ausschreibungen wollte und will die Bahn AG für Stuttgart 21 Arbeiten im Milliardenwert am 1.Februar (Tunnel zum Flughafen und nach Untertürkheim), 14.Februar (Tiefbahnhof) und 14.April 2011 (Tunnel nach Feuerbach und für die S-Bahn) vergeben. Es gebe keine Verträge, sagt Dietrich. Bauchef Hany Azer führe noch "technische Absprachen". Das Problem für die Bahn: Die Firmen wie die österreichische Porr AG sind bald nicht mehr an ihre Angebote gebunden, könnten neu kalkulieren. Und es gibt teils lange Lieferfristen. Sieben bis 14 Monate Produktionszeit nennt die Herrenknecht AG für ihre Tunnelbohrmaschinen. "Wir bewerben uns um Aufträge", heißt es beim Marktführer.

Jetzt ist zunächst Geduld gefragt. Nach einem Wahlsieg würden die Grünen und die SPD in den nächsten Tagen erst einmal das weitere Prozedere und die Eckpfeiler für ihre Koalition klären wollen - bis hin zu personellen Überlegungen. Dafür habe es vor der Wahl keinen Anlass gegeben, sagt Werner Wölfle. Der Fraktionschef der Grünen im Rathaus und Landtagskandidat wird voraussichtlich aber selbst einen Platz auf dem Personalkarussell beanspruchen. Wenn er gut abschneide, werde er sich bei den personellen Weichenstellungen nicht verstecken, sagte er auf Anfrage. Sein ursprüngliches Fachgebiet sei die Sozialpolitik, "ich habe aber auch die Verkehrsproblematik begriffen", sagt Wölfle. Als gegenwärtiger verkehrspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion könnte er bei einer Regierungsbildung auch mit seinem Vorgänger Boris Palmer konkurrieren. Palmer, derzeit OB in Tübingen und immer wieder als OB-Kandidat in Stuttgart für 2012 im Gespräch, sagte am Freitag nichts zum Thema Ministeramt.