Foto: dpa

Gäubahn: Grube sieht Vorteile - Fahrzeiten zum Flughafen teils kürzer - Kritik aus Ministerium.

Böblingen - Bahn-Chef Rüdiger Grube hat am Samstag zusammen mit Landräten in Böblingen und Tuttlingen für Stuttgart 21 geworben. Das Projekt bringe auch für die Gäubahn nach Singen Vorteile. Das Verkehrsministerium teilt die Lobeshymne nicht. Es warnt davor, mit Stuttgart 21 einen Engpass in die Gäubahn zu bauen.

Die Landräte in Baden-Württemberg versprechen sich viel von Stuttgart21. "Wir wollen, dass die Bevölkerung am 27. November für das Projekt stimmt", sagte Helmut Jahn, der Präsident des Landkreistages, bei einer Pressekonferenz im Böblinger Landratsamt. Die Verwaltungschefs der Kreise würden sich mit ihrer Meinung "nicht zurückhalten", so Jahn, "es gibt keinen Maulkorb, auch wenn die Regierung das will". Es gelte, mit Stuttgart 21 die Zukunft des Schienenverkehrs im ländlichen Raum zu sichern.

Wie das mit dem Projekt funktionieren soll, versuchte Bahn-Chef Rüdiger Grube zu verdeutlichen. Stuttgart 21 umfasst eine neue Strecke von Stuttgart-Feuerbach bis Wendlingen. Dazwischen liegen der neue achtgleisige Durchgangsbahnhof in der Landeshauptstadt und ein Haltepunkt am Flughafen. Für die Reisenden auf der Strecke Singen-Stuttgart sieht das Projekt in Stuttgart-Rohr den Schwenk der Gäubahn auf die bestehenden S-Bahn-Gleise in Richtung Flughafen vor. Das alte zweigleisige Stück Gäubahn durch Stuttgart wird abgehängt. Vom Flughafen aus biegt die Gäubahn in den neuen Fildertunnel in Richtung Stuttgarter Talkessel ab.

Die neue Linienführung bringe "den direkten Anschluss von Flughafen und Messe", sagte Grube. Die Fahrzeit zum Beispiel von Tuttlingen zum Flughafen verkürze sich um 66 Minuten. Grube: "Wenn das kein Vorteil ist!" Parallel zu Stuttgart21, das bis 2020 für maximal 4,5 Milliarden Euro gebaut sein soll, werde die eingleisige Gäubahn auf drei Abschnitten zweigleisig. Dazu müsste der Bund allerdings bis 2020 genügend Geld zur Verfügung stellen, und die Bahn müsste zügig planen. Zwischen Horb und Neckarhausen tut sie es jetzt - mit Hilfe des Landes, das 800 000 Euro Planungskosten vorfinanziert. "Ich engagiere mich für Gäubahn, Südbahn und Rheintalbahn genauso wie für Stuttgart21", versprach der Bahn-Chef den Landräten, Geld aus Berlin zu sichern.

Von Böblingen aus, so Grube, könne man mit S 21 den Hautbahnhof in elf Minuten erreichen. Damit aber war Grube zu flott unterwegs. Böblingens Landrat Roland Bernhard korrigierte. "In elf Minuten zum Flughafen, in weiteren sechs geht es zum Hauptbahnhof." In den 17 Minuten ist die Haltezeit am Airport aber nicht berücksichtigt. Bernhard räumte auf Nachfrage ein, dass es auf der Gäubahn in diesem Bereich durch S21 keine Beschleunigung geben wird. Das Ergebnis sei "Plusminus null. Aber es gibt keinen Nachteil", so der Landrat.

"Die Fahrzeiten auf er Gäubahn bleiben mit Stuttgart 21 gleich", bestätigte das Verkehrsministerium im Land auf Anfrage. Die Ausbauten mit Überholstellen dienten der "Fahrplanstabilität" - also weniger Verspätungen -, sie schafften aber nicht mehr Platz für mehr Züge.

Das Ministerium von Winfried Hermann (Grüne) warnt außerdem davor, dass mit Stuttgart 21 eine Engstelle in die Gäubahn eingefügt werde. Der Abzweig bei Rohr zum Flughafen ist nur eingleisig geplant, die Strecke müssen sich schnelle ICE und langsame S-Bahnen teilen. Im Ministerium spricht man inoffiziell von "Murks", offiziell davon, das man "große Probleme mit dem Mischverkehr" sieht und daher "eine Lösung der Bahn erwartet".

Rüdiger Grube erwartet von der Volksabstimmung den Befreiungsschlag für Stuttgart 21. "Verschwörungtheorien" der Gegner wie ausufernde Kosten, zu geringe Leistungsfähigkeit des Systems, Gefährdung der Mineralwasserquellen und die "Kannibalisierung" anderer Bahn-Ausbauten im Land habe man widerlegt. Sollte die Landesregierung nach dem Volksentscheid den Ausstieg aus dem Projekt betreiben, werde sie verklagt. Grube aber glaubt nicht, dass es so weit kommt. Die Mehrheit der Bürger wolle das Projekt. Die Volksabstimmung setze daher "den Schlusspunkt im Streit um Stuttgart 21". 2012 will die Bahn mit den Bauarbeiten in die Vollen gehen. Im Januar soll der Südflügel des alten Bahnhofs fallen.