Die Stuttgarter gehen auf die Straße. Die Frage ist nur: Für oder gegen Stuttgart 21 Foto: dpa

Eine Stadt demonstriert, für oder gegen S-21. Kleinere Demos gehen unter.

Stuttgart - Eine Stadt demonstriert. Die anhaltenden Aktionen von Gegnern - und neuerdings auch Befürwortern - von Stuttgart 21 prägen das Bild der Landeshauptstadt. Das drückt sich auch in Zahlen aus: Von 1. Januar bis 21. Oktober hat das Amt für öffentliche Ordnung 635 Demonstrationen von Stuttgart-21-Gegnern gezählt. Befürworter des Projekts gingen seit Jahresbeginn zehnmal auf die Straße.

Diese hohe Demonstrationsdichte wirkt sich auf das übrige Protestgeschehen in der Stadt offenbar bremsend aus. So zählte das Ordnungsamt in diesem Jahr lediglich 325 Kundgebungen, die nichts mit Stuttgart 21 zu tun hatten - deutlich weniger als 2009, als im gesamten Jahr 520 Demos angemeldet wurden. In den Jahren zuvor war die Zahl der Kundgebungen jeweils angestiegen: 2008 wurden 403 Demonstrationen registriert, im Jahr zuvor 310. Alfons Nastold, Leiter der Dienststelle für allgemeine Sicherheitsangelegenheiten, liest aus diesen Zahlen, dass kleinere Gruppierungen ihre öffentlichen Aktivitäten aus Platzgründen drosseln oder verschieben. Grundsätzlich gilt: Klein-Demos können auch auf großen Plätzen stattfinden. Zwei Infotische mit 15 Leuten drum herum seien auf dem Schlossplatz nichts Ungewöhnliches, meint Nastold. Wer zuerst kommt, demonstriert allerdings nicht automatisch zuerst. Bahnt sich eine Großdemo an, müssen die Kleineren weichen.

"Die meisten Veranstalter zeigen Verständnis"

Die Kleineren, das sind Tierschützer, Menschenrechtsgruppen oder politische Aktivisten verschiedener Nationalitäten, die zwischen drei und 2500 Personen mobilisieren. In Stuttgart-21-Dimensionen stößt allenfalls noch der DGB vor, der schon mal 10000 Menschen auf die Beine bringt.

Bevorzugte Demonstrationsplätze sind der Schloss-, Markt-, Schiller- und Karlsplatz. Bei Terminkollisionen werde dem Veranstalter der kleineren Kundgebung ein Alternativstandort angeboten, erklärt Nastold. Ein Beispiel ist der Mesopotamische Kulturverein. Dieser wollte seine Anliegen jüngst auf der Lautenschlagerstraße vortragen. Dort hatten sich jedoch gleichzeitig Stuttgart-21-Demonstranten angesagt. Die 150 Kurden mussten ausweichen.

Auch die Tibet-Initiative, Regionalgruppe Stuttgart, sah sich aufgefordert, ihre Pläne zu ändern. "Bis Anfang Juni haben wir für unsere wöchentlichen Mahnwachen am Samstag im Wechsel den Schlossplatz und das Mahnmal am Karlsplatz zugewiesen bekommen", sagt Sprecherin Sabine Janda. Aus Sicht der Gruppe habe der Schlossplatz Priorität eins, da dort die Fußgängerfluktuation höher sei. Seit Juli werde man fortlaufend am Mahnmal positioniert - wegen Stuttgart 21: "Bisher habe ich von unseren Mitgliedern jedoch noch kein Unverständnis hierzu gehört", sagt Janda. Das deckt sich mit der Auskunft von Dienststellenleiter Nastold: "Man redet miteinander; die meisten Veranstalter zeigen Verständnis."