Kläger Rainer Bohnet von der Stuttgarter Netz AG (re.) mit Anwalt Michael Sitsen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Bahn AG muss für den Kopfbahnhof voraussichtlich kein Stilllegungsverfahren beantragen. Die Stuttgarter Netz AG fordert das Verfahren. Der Verbund kleinerer Bahn-Unternehmen will die alten Schienen weiter nutzen.

Stuttgart - Das Verwaltungsgericht Stuttgart wird die Klage der Stuttgarter Netz AG auf ein Stilllegungsverfahren für die alten, zum Kopfbahnhof führenden Gleise, voraussichtlich abweisen. Das hat die 13. Kammer unter Vorsitz von Richter Wolfgang Kern am Dienstag in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht. Das Gericht will einen Tenor zu seiner Entscheidung (Az: 13 K 2947/12) an diesem Mittwoch um 14 Uhr veröffentlichen. Verklagt ist das Eisenbahn-Bundesamt (Eba). Es sollte der Bahn Abbauarbeiten vor einem Stilllegungsverfahren untersagen.

Das Gericht sieht für die kleine Netz AG kein besonderes Rechtsschutzinteresse gegeben. Der Kläger könne seine Ansprüche nicht nur in dem in Paragraf 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetztes (AEG) stehenden Stilllegungsverfahren geltend machen, sondern auch in einem Planfeststellungsverfahren, in dem die Bahn den Abriss der alten Gleise beantrage.

Die Bahn setzt auf eine Planfeststellung

Genau diesen Weg will der bundeseigene Schienenkonzern einschlagen. „Die DB AG wendet sich nicht gegen ein Planfeststellungsverfahren zum Rückbau“, sagte der Anwalt Josef-Walter Kirchberg für die Bahn. Der Weg scheint für den Konzern ohne Risiko, weil mit der Baugenehmigung für den Tiefbahnhof beim Projekt Stuttgart 21 im Jahr 2005 sowohl der Erhalt des Kopfbahnhofs als auch eine Kombi-Variante aus ober- und unterirdischem Betrieb verworfen worden war. Letztere Variante wäre aber die der Netz AG. Kirchberg sieht sich auf der Siegerstraße: „Wenn Sie sich für eine Planfeststellung entscheiden, dann müsste ich Sie umarmen“, sagte er zu Richter Kern.

Die 2011 gegründete Netz AG, der laut ihrem Vorstandsvorsitzenden Rainer Bohnet 15 Unternehmen angehören, wird die Klageabweisung nicht akzeptieren. Rechtsanwalt Michael Sitsen kündigte den Gang in die nächste Instanz an und beantragte eine Sprungrevision. Damit müsste sich gleich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit dem bisher einmaligen Fall beschäftigen. Der Weg zum Verwaltungsgerichtshof Mannheim würde umgangen. Reinhard Hennes, Abteilungsleiter Finanzierung im Eba, ist ebenfalls für die Sprungrevision.

Anwalt spricht von „Hirngespinst“

Kirchberg sprach der Stuttgarter Netz AG vor rund 100 Zuhörern im voll besetzten Gerichtssaal die wirtschaftliche Befähigung zum Weiterbetrieb der alten Infrastruktur ab. Sie werde „nicht in der Lage sein, den Kopfbahnhof sinnvoll zu betreiben“. Die Bahn werde einem Wettbewerber, „der ein Hirngespinst vorträgt“, gar kein Angebot zur Übernahme der Gleise machen.

Der Anwalt Winfried Porsch rechnete für die Stadt vor, dass die Netz AG jährlich mindestens sechs Millionen Euro aufbringen müsse, wenn sie die sechs kurzen Strecken zum Kopfbahnhof von der Deutschen Bahn pachte. Das sei die Summe, die der Bahnkonzern der Stadt zahlen müsse, wenn diese die bereits ihr gehörenden Grundstücke nicht bebauen könne. „Es kommt nicht darauf an, ob die Gleise später Bauland sind, es geht um den Ertragswert der Schienen-Infrastruktur“, sagte Anwalt Sitsen.

Klagende Netz AG sollte Angebot erhalten

Im Grundsatz gehe es im Verfahren darum, ob Stuttgart 21 ein Neubau mit gleichzeitiger Stilllegung alter Infrastruktur oder nur eine Änderung des Bestandes sei, erläuterte Richter Kern. Dabei müssten Begrifflichkeiten wie „Strecke“ geklärt werden. Funktional sei das die Verbindung von A nach B und nicht die eigentliche Gleisanlage. „Es geht um den Erhalt einer bestimmten, konkreten, definierten Infrastruktur“, das sei das Verständnis des Klägers, so Sitsen. „Ein junges Unternehmen kann keine Bahnhöfe bauen, sondern nur bestehende Strukturen übernehmen“, sagte er. Grundsätzlich, so Reinhard Hennes vom Eba, reiche ein Betriebsleiter und ein Versicherungsnachweis für eine Bewerbung aus. Die Stuttgarter Netz AG sei daher ein Unternehmen, „dem ein Angebot zu machen ist“.