Im Schlossgarten soll bald die Bodenplatte für den Tiefbahnhof betoniert werden. Noch fehlt dafür aber die Genehmigung Foto: Manfred Grohe

Die Deutsche Bahn und der Architekt Christoph Ingenhoven haben am Dienstag öffentlich die Genialität des Tiefbahnhof-Entwurfs gelobt. Aktuell kann er allerdings nicht gebaut werden. Es fehlen statische Nachweise.

Stuttgart - Im August 2014 hat die Bahn offiziell mit dem Bau des Tiefbahnhofs im Schlossgarten begonnen. Im September 2014 erhielt sie die Genehmigung, wenn nötig mehr Grundwasser aus den Baugruben entnehmen zu dürfen. Der Bahnhofsbau könne damit intensiviert werden, sagte der damalige S-21-Projektsprecher. Denn: „Wir wissen alle, dass wir zweieinhalb Jahr hinter dem ursprünglichen Zeitplan sind.“

Nach mehr als einem Jahr ist tatsächlich die erste, mit der Nummer 16 bezeichnete Baugrube im Park ausgehoben. Rammpfähle wurden gesetzt und inzwischen rund 330 000 Kubikmeter Grundwasser gepumpt. Das erste Segment der riesigen, insgesamt rund 420 auf 80 Meter großen Bodenplatte kann dennoch nicht gegossen werden, denn die Bahn hat für weitere Betonierarbeiten keine Genehmigung.

Die entsprechende Freigabe für den Bau des Bahnhofstrogs sei bisher nicht erteilt worden, weil „unter anderem noch statische Nachweise zu erbringen“ seien, teilte das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) unserer Zeitung mit. Die Bahn AG sei verpflichtet, eisenbahnspezifische Baubestimmungen einzuhalten. „Dazu gehört auch immer der Nachweis der Standsicherheit“, so die Prüf- und Überwachungsbehörde. Im Bauprojekt Stuttgart Tiefbahnhof seien „die für die Einbringung der Bodenplatten notwendigen statischen Nachweise noch zu erbringen“.

Bei der IHK waren fehlende Nachweise kein Thema

Bei der Veranstaltung der Bahn am Dienstag in den Räumen der Industrie- und Handelskammer Stuttgart war diese Bringschuld kein Thema. Der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven und der Bauingenieur Professor Werner Sobek sahen vor 250 Gästen vor allem die Stadt in der Pflicht.

Allerdings ging es um ein anderes Gelände. Die Stadt müsse sich endlich Gedanken über den neuen Stadtteil hinter der Lichtaugen-Station machen, sonst falle man 2021, wenn Stuttgart 21 in Betrieb gehen soll, dort „in ein Loch“. Ingenhoven und Sobek heimsten für ihre teils launigen Äußerungen, die an der Rathausspitze für Verärgerung sorgten, Beifall ein.

Am Freitag bestätigten die Bahn und die mit dem Rohbau beauftragte Stuttgarter Züblin AG unserer Zeitung die fehlende Bauerlaubnis. Der statische Nachweis für die Bodenplatte werde zurzeit geführt. Dazu müssten die an das Baufeld 16 direkt anschließenden Felder mit betrachtet und in einem dreidimensionalen Modell dargestellt werden.

Bahn sieht Architekt und Statikbüro in der Pflicht

Die Planung dafür liege beim Architekten, also beim Büro Ingenhoven, und bei dem Tragwerksplaner Werner Sobek, sagte der Bahn-Abschnittsleiter Michael Pradel. „Wir hätten uns gewünscht, dass der Nachweis der Standsicherheit schneller fertig ist“, so Projektleiter Pradel.

Die Planung für den Bahnhofstrog sei 2012 weitgehend abgeschlossen gewesen, „mit Nachweisen“, sagt Thomas Hauser, Bauleiter der Züblin AG. Mit der Novellierung einer bahninternen Richtlinie und dem Wechsel von DIN-Normen auf europaweit gültige Vorgaben hätten diese Nachweise im Jahr 2014 vollends ihr Gültigkeit verloren, so Hauser. In die neuen Vorgaben sei zum Beispiel der Erdbebenschutz aufgenommen worden. „Wir als Züblin bauen nur“, weist Hauser jede Verantwortung für mögliche Versäumnisse von sich.

„Das Baufeld 16 gilt als Referenz, wir prüfen also alles ganz genau“, sagt Pradel. Nach den Berechnungen für diesen und die direkt angrenzenden Bauabschnitte würden jeweils weitere Abschnitte in die Genehmigung gegeben. Obwohl die bis zu 2,50 Meter dicke Bodenplatte am Ende fugenlos sein soll, beziehen sich statische Nachweise auf Abschnitte. Ein Grund für die Segmentierung sei das Grundwassermodell, das unter den einzelnen Bauteilen von unterschiedlichen Annahmen ausgehe.

Rammpfähle haben alle Prüfungen bestanden

Spekulationen von Stuttgart-21-Kritikern, das Erdreich im Schlossgarten sei für den Bahnhofsbau nicht tragfähig genug, wurden am Freitag zurückgewiesen. Der Bahnhof wird sich auf zusammengenommen 35 Kilometer Rammpfählen stützen. Unter den Kelchstützen, die das Dach tragen, befinden sich ganze Pakete davon, jeder Pfahl ist dort 51 Zentimeter dick. „Wir haben alle mit Zugversuchen belastet und dynamische Tests gemacht, alle Prüfungen sind bestanden“, sagt Pradel. Er hofft, bis Dezember die 80 auf 40 Meter große Bodenplatte in der Baugrube 16 gießen zu können.

Einstweilen verlegt Züblin im Feld 16 sieben Abwasserrohre mit 80 Zentimeter bis zwei Meter Durchmesser. Sie ersetzen alte Kanäle in der früheren Cannstatter Straße. Unter den Rohren wurden 50 Zentimeter Schotter „hervorragend verdichtet, damit es keine Setzungen gibt“, sagt Pradel.