Die 300. Montagdemo gegen das Projekt Stuttgart 21 steht an. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Für Teilnehmer wie Passanten gehört die Montagsdemo gegen S 21 längst zum Stadtbild. Skeptiker sehen in ihr ein Ritual, das inzwischen an den Realitäten vorbei geht. Für die Projektgegner ist sie ein Zeichen der Zusammengehörigkeit. Jetzt steht die 300. Montagsdemo an. Wie viele werden kommen?

Stuttgart - „Der Käs‘ isch no lang net gessa“ steht auf einem der Vesperbrettchen, die eigens für die Jubiläums-Kundgebung angefertigt worden sind. Die Replik auf eine Äußerung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeugt vom Willen, weiterhin gemeinsam Widerstand zu leisten. Nicht aus Gewohnheit, sondern aus der Überzeugung heraus, dass Stuttgart 21 zum Scheitern verurteilt ist. „Es handelt sich mittlerweile um ein politisches Projekt. Und politische Projekte können auch politisch abgesagt werden“, sagt Matthias von Herrmann.

Während die Entscheidung für den Bau in den Augen vieler Stuttgarter mit der Volksabstimmung im November 2011 gefallen ist, gibt es für den Pressesprecher der Parkschützer Gründe genug, weiterhin an einer Realisierung zu zweifeln. Die steigenden Kosten und die Zeitverzögerung bei den Bauarbeiten sind für ihn klare Indizien: „Mit dem Nesenbachdüker, der ab Januar 2010 entstehen sollte, wurde beispielsweise bis heute nicht recht begonnen“, führt er aus. „Vor zwei Jahren sollte er fertig sein.“ Die Umleitung des Wasserlaufs gilt als ökologisch heikel, ist aber Voraussetzung für den Baustart der unterirdischen Durchgangsstation. „Der Aufsichtsrat wollte 2013 aus dem Projekt aussteigen“, so von Herrmann. „Dann meldete sich die Kanzlerin zu Wort. Jetzt traut sich keiner mehr zu sagen, dass es so nicht funktionieren kann.“

Neue Gesichter bei den Demos

Waren die Zahlen der Demonstranten und die Sympathien für den Widerstand nach dem Volksentscheid deutlich zurückgegangen, so sprechen die S-21-Gegener inzwischen wieder von wachsendem Interesse. „Man merkt, dass bei den Kundgebungen vermehrt neue Gesichter auftauchen“, stellt Carola Eckstein fest, die in die Organisation der Montagsdemos involviert ist. Für die 300. Auflage rechnet sie wegen des Jubiläums mit deutlich mehr Teilnehmern als zuletzt.

Am vorigen Montag waren laut Veranstaltern rund 1000 Menschen zusammen gekommen. Die Polizei sprach von gut 500. „Wenn man nur diejenigen zählt, die auf die Straße gehen, ergibt das ohnehin ein unvollständiges Bild“, gibt Projektgegnerin Renate Knapper zu bedenken. „Wer stark ins Berufs- und Familienleben eingebunden ist, für den ist der Montag kein einfacher Termin“, gibt die Politikwissenschaftlerin zu bedenken. „Daher gehen viele nicht mehr demonstrieren. Sie unterstützen den Protest aber anderweitig.“ Eine Verlegung auf einen anderen Tag ergebe angesichts der langen Tradition aber keinen Sinn.

„Murks bleibt Murks“

Auch an der Mahnwache gegenüber dem Hauptbahnhof erfahren die S-21-Gegner viel Zustimmung. Gisela Heeb berichtet, kürzlich hätten ein paar Hamburger vorbeigeschaut und bekundet, ohne das schwäbische Vorbild sei die Bewegung gegen die Olympischen Spiele in der Hansestadt nicht möglich gewesen. Solches Lob motiviert.

Auch nach fünf Jahren Besetzung ist kein Ende der Protest-Anlaufstelle abzusehen. Gerade haben sich 200 Freiwillige gemeldet, um Tag und Nacht vor Ort zu sein. „Solange wir sehen, dass hier etwas entsteht, was nicht funktionieren kann, bleiben wir dran“, gibt sich Knapper kämpferisch. Auch heute wird sie wieder für ihre Überzeugung auf die Straße gehen. Getreu dem Motto: „Murks bleibt Murks und Montag bleibt Demo“.