Eine Gruppe von Aktivisten hat im November 2012 das Rathaus besetzt. Foto: 7aktuell.de/Eyb

Das Amtsgericht hat zwei Frauen und drei Männer wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Die S-21-Gegner hatten im November 2012 das Rathaus besetzt.

Das Amtsgericht hat zwei Frauen und drei Männer wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Die S-21-Gegner hatten im November 2012 das Rathaus besetzt.

Stuttgart - Es ging um den Widerstand gegen Stuttgart 21. „Wie geht es weiter?“ hieß die Frage, um die es sich am 10. November 2012 im Rathaus drehte. Die Anstifter, der Parkschützerrat und die SÖS, allesamt gegen S 21, hatten in den großen Sitzungssaal des Rathauses geladen, um „Unser Recht auf die Stadt“ zu diskutieren. Rund 400 Unterstützer waren gekommen. Als die Veranstaltung gegen 17.30 Uhr vorbei war, spaltete sich eine Gruppe von 15 bis 20 Leuten ab und besetzte den Saal. Deshalb müssen sich zehn S-21-Gegner jetzt vor dem Amtsgericht verantworten.

Die Gruppe propagiert die Gründung eines Bürgerparlaments und wollte mit der Besetzung offenbar öffentlichkeitswirksam auf sich aufmerksam machen – ganz zum Unwillen anderer prominenter S-21-Gegner wie Gangolf Stocker und Hannes Rockenbauch, die sich von der Aktion distanzierten.

Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) eilte ins Rathaus, um die Sache ohne Polizei aus der Welt zu schaffen. Wölfle und Hermann Karpf, der persönliche Mitarbeiter von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer, redeten mit Engelszungen auf die Besetzer ein – ohne Erfolg. Nach rund acht Stunden rückte die Polizei an und räumte den Saal. Die Stadt erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, die Beschuldigten erhoben Einspruch gegen die Strafbefehle.

Also hatte es Einzelrichter Gerhard Gauch am Dienstag mit zehn Angeklagten zu tun, deren Verfahren aus Platzgründen gesplittet wurden: vier Männer und eine Frau am Vormittag, drei Männer und zwei Frauen nachmittags. Wobei der erste Prozess schnell auf den 31. Januar vertagt wurde, weil sich Richter Gauch Befangenheitsanträge eingehandelt hatte.

Die Angeklagten, die ihre Sicht der Dinge unter Beifall ihrer Unterstützer im Saal vortragen, sind von der Rechtmäßigkeit ihres Tuns überzeugt. Sie lassen kein gutes Haar an dem Bahnprojekt, kritisieren so gut wie alle politischen Ebenen ebenso wie die Justiz. Ein Angeklagter spricht von „Stuttgarter Korruption“, beklagt „Bürgerschaftsmissachtung“ und rückt staatliche Stellen in die Nähe der Stasi. „Wir sahen uns gezwungen zu handeln“, sagt sein Mitstreiter. Die Stadträte seien überfordert, Schlossgarten und Rosensteinpark würden zerstört.

Hermann Karpf macht im Zeugenstand noch einmal klar, er und Bürgermeister Wölfe hätten die Sache ohne Anzeigen regeln wollen. Die Gespräche, die von den Aktivisten live ins Internet übertragen wurden, seien aber erfolglos geblieben. Schließlich habe man kurz vor Mitternacht die Polizei verständigt.

Die Staatsanwältin sieht den Hausfriedensbruch als erwiesen an und beantragt Geldstrafen von zehn bis 15 Tagessätzen in Höhe von 30 bis 50 Euro.

Die Verteidigung plädiert auf Freispruch. „Das Versammlungsrecht wird in dieser Stadt mit Füßen getreten“, so beispielsweise Rechtsbeistand Holger Jänicke. Die Angeklagten hätten nach der eigentlichen Veranstaltung eine neue, öffentliche Versammlung gebildet. „Und diese Versammlung hätte vor etwaigen polizeilichen Maßnahmen erst aufgelöst werden müssen.“ Eine Verurteilung wäre ein Schlag ins Gesicht des demokratischen Rechtsstaats, so Jänicke.

Rechtsanwalt Ullrich Hahn beruft sich auf zivilen Ungehorsam, der laut Bundesverfassungsgericht unter bestimmten Umständen straflos sei. Diese Kriterien seien hier erfüllt. Auch deshalb komme nur ein Freispruch in Betracht.

Einzelrichter Gauch sieht es anders. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass hier ein Hausfriedensbruch vorliegt“, so Gauch. Er verurteilt die zwei Frauen und die drei Männer zu jeweils 15 Tagessätzen à 30 Euro, also zu 450 Euro Geldstrafe. Ob die Angeklagten dagegen in der Berufung vor dem Landgericht vorgehen, ist noch unklar.