Ausschnitte aus einem Info-Film der Bahn: In der Halle des Tiefbahnhofs wird es durch neue Fluchttreppenhäuser Engstellen geben. Foto: ks

Die Bahn wird im Juli 2014 mit dem eigentlichen Bau des Tiefbahnhofs in Stuttgart beginnen können. Bis dahin soll das neue Brandschutzkonzept genehmigt sein. Ein Problem ist die Ausbreitung von Rauch in der Bahnhofshalle.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn will bei einem Brand im geplanten Durchgangsbahnhof Reisende auch über neue Fluchttreppenhäuser retten. Die acht in den bisherigen Bahnhofsplänen nicht vorgesehenen Treppenhäuser, vier auf jedem Bahnsteig, werden auf das Dach des Tiefbahnhofs führen. Ein Rettungsweg soll bei einem Brand die Flüchtenden grundsätzlich in einen sicheren Bereich lenken. Beim neuen Bahnhof wird allerdings auch der Rauch aus der unterirdischen Station auf das Dach geleitet. Im Dach sollen sich Klappen in den gläsernen Lichtaugen öffnen, um Qualm aus der Halle schnell abziehen zu lassen.

Die Gefahr, in die sich Reisende durch ihre Flucht von der Bahnhofshalle auf den Straßburger Platz – so wird das Gelände auf dem künftigen Bahnhofsdach heißen – begeben, hat die Stuttgarter Berufsfeuerwehr erkannt. „Wir haben das gesehen“, sagt deren stellvertretender Chef Stefan Eppinger unserer Zeitung. In der jüngsten Besprechung mit der Bahn seien dieses Problem und andere benannt worden. „Es wäre kontraproduktiv, wenn Menschen über die Treppenhäuser in einen verrauchten Bereich gelangen würden“, sagt Eppinger. „Es muss sichergestellt sein, dass das nicht so ist.“

In ihrer neu konzipierten Ausstellung im Bahnhofstrum zeigt das Unternehmen in fünf Kurzfilmen einen neuen Blick in ihre vom Düsseldorfer Architekten Christoph Ingenhoven bereits vor 16 Jahren entworfene Halle. Inzwischen haben sich Brandschutzvorschriften erheblich geändert, auch tragen die Züge eine größere Brandlast.

Erst nach 23 Minuten ist der Tiefbahnhof komplett geräumt

Neben den Stützen in der Form eines Kelches und den kreisrunden Lichtöffnungen hat der Bahnhof nun acht große Treppenhäuser. Sie sind mit dunklem Glas verkleidet. Diese Treppenhäuser sollen die Rettungszeit für maximal 16 000 Menschen im Bahnhof drastisch verkürzen. Im Oktober 2012 war die Bahn heftig in die Kritik geraten, weil ein Gutachten aus der Schweiz zu lange Evakuierungszeiten für den Tiefbahnhof vorrechnete. Bis zu 23 Minuten, kritisierte die Schweizer Gruner AG, dauere es nach der Einfahrt eines Zuges, bis der letzte Reisende den Tiefbahnhof verlassen habe.

Um die Rettungszeit zu kürzen, ersannen Bahn und Ingenhoven die Fluchttreppenhäuser. Dabei handelt es sich um Schachteltreppen. Das sind um zwei unabhängige, von zwei Seiten aus zugängliche Treppenläufe, die ineinander verschachtelt in einem Treppenhaus Platz finden. „Die Entfluchtungszeiten befinden sich noch in der Bewertung. Schon heute kann aber gesagt werden, dass die Räumungszeit szenarienabhängig verkürzt wird“, sagt ein Sprecher des Stuttgart-21-Kommunikationsbüros.

Die Frage, wie Rauch auf dem Straßburger Platz verhindert werden soll, beantwortet das Kommunikationsbüro ausweichend. Die Fluchttreppenhäuser, hießt es, „werden rauchdicht ausgeführt“. In den Filmen im 6. Stock des Turms sind die Treppenhäuser auf dem Bahnhofsdach nicht zu sehen. Sie würden, erläutert das Kommunikationsbüro, auf dem Straßburger Platz deshalb nicht durch Aufbauten auffallen, weil die Treppen auf dem Dach „mit Klappen abschließen, die sich nur im Notfall öffnen“.

Viele Fragen bleiben unbeantwortet

Auf den Bahnsteigen sind die neuen Treppenhäuser gut sichtbar. Sie werden die Breite der Bahnsteig deutlich einschränken. Wie sehr, will die Bahn nicht sagen. Wie viel Platz zwischen Fluchttreppen und Bahnsteigkante den Reisenden noch bleibt, und auf welcher Länge am Bahnsteig die neue Engstelle bestehen wird, auf diese Fragen gibt die Bahn unserer Zeitung keine Antwort.

Die neuen Treppenhäuser sind Teil des überarbeiteten Brandschutz- und Rettungskonzeptes. Nach wie vor setzt die Bahn auch auf zwei Entrauchungsbauwerke an beiden Enden des Bahnhofs. Sie sollen im Katastrophenfall Qualm absaugen. Eine Entrauchungsanlage wollte die Bahn in Absprache mit der Stadt seit 2007 vom Killesberg an den Pragtunnel verlegen, weil auf dem Killesberg nahe des Lüftungskamins die Seniorenwohnanlage Augustinum gebaut worden ist. Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) als Genehmigungsbehörde der Bahn und das Unternehmen selbst seien „übereinstimmend“ zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verlegung keine Genehmigung erhalten könne. Die Bahn fällt damit auf die alte, genehmige Lösung am Killesberg zurück. Andere Standorte stünden im Moment nicht zur Diskussion, heißt es beim Kommunikationsbüro. Gegenüber dem Eba will die Bahn bis April 2014 ein neues Sicherheitskonzept für die an den Bahnhof anschließenden Tunnel sowie die „Entrauchung und Entfluchtung“ des Tiefbahnhof liefern. Das Amt fordert für die Entrauchung eine „unabhängige Begutachtung durch einen Aerodynamik-Experten“. Er soll klären, ob der Vorwurf von Gruner, die Entrauchung verteile den Brandqualm im Bahnhof zum Nachteil der Flüchtenden, noch zutrifft. Bis Juli 2014 soll laut den Bahn-Terminplänen die Freigabe des Bundesamtes vorliegen. Erst dann seien „relevante Rohbaumaßnahmen“ möglich, heißt es im S-21-Kommunikationsbüro.