Volker Schirner (links) und Bodo Siegert schauen sich die vor vier Jahren umgesetzten Bäume aus dem Stuttgarter Schlossgarten an. Dazu zählen auch die beiden auffallend schlanken Platanen im Hintergrund Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Vor gut vier Jahren hat die Bahn im mittleren Schlossgarten das Baufeld für den Tiefbahnhof geräumt. 84 Bäume sind damals nach hitzigen Diskussionen versetzt worden. 82 davon haben den Umzug bis heute überlebt – brauchen aber besondere Pflege.

Stuttgart - Symbolträchtiger könnte der Ort kaum gewählt sein. Volker Schirner, Leiter des Garten-, Friedhofs- und Forstamts, steht am Rande der Feuerbacher Heide. Im Bonatzweg. Dort begutachtet er zusammen mit Bodo Siegert eine Reihe Bäume. Der Nürnberger Sachverständige hat vor gut vier Jahren im Auftrag der Bahn die Versetzung von bis zu 15 Meter hohen Bäumen aus dem Schlossgarten an andere Standorte begleitet. Sie mussten dem Projekt Stuttgart 21 weichen.

Ausgerechnet in dem Weg, der nach dem Erbauer des Stuttgarter Hauptbahnhofs benannt ist, bilden einige von ihnen nun eine kleine Allee. Nach wie vor sind sie mit Ankern im Erdreich befestigt. „Die müssen noch zwei, drei Jahre drinbleiben, um die Bäume zu sichern, bis sie sich richtig verzahnt haben“, sagt Siegert. Das Exemplar, vor dem er steht, ist allerdings nicht mehr zu retten. Der Bergahorn ist tot.

Damit bildet er aber die Ausnahme. 84 Bäume sind damals nach heftigen Diskussionen versetzt worden – 68 aus dem Schlossgarten und 16 bereits zuvor vom Nordausgang des Hauptbahnhofs. 2000 bis 4000 Euro pro Stück hat das die Bahn gekostet. „Zwei von ihnen haben es nicht geschafft“, sagt ein Bahnsprecher. Die anderen stehen noch. In anderen Teilen des Schlossgartens, in Friedhöfen oder sonstwo im Stadtgebiet. Die größte Konzentration gibt es auf dem Killesberg zwischen der Tennisanlage des TC Weissenhof und der Feuerbacher Heide. Rund 30 der viel diskutierten Bäume haben dort eine neue Heimat gefunden – Platanen, Hainbuchen, Birken und Ahorn.

Man sieht den Bäumen den Umzug noch immer an

Schirner und Siegert halten die Quote für gut. „Es ist ein Erfolg, nur zwei der Bäume zu verlieren. Man staunt schon, dass sie Lust haben, an anderer Stelle weiterzuwachsen“, sagt Schirner. Allerdings sieht man ihnen oftmals deutlich an, dass sie spezielle Exemplare sind. Weit ausladende Äste sucht man vergebens, sie sind für den Transport gestutzt worden. Und rund um die Stämme wächst weniger Gras als ein paar Schritte weiter. Die Ballen, die mit dem Wurzelwerk transportiert worden sind und bis zu drei Meter Durchmesser hatten, sind immer noch gut zu erkennen.

Dementsprechend wird es noch Jahre dauern, bis die Stuttgart-21-Bäume keine erhöhte Aufmerksamkeit mehr benötigen. „Das sind schon besondere Pfleglinge“, sagt Schirner. Sie sind deutlich empfindlicher als solche, die schon immer am selben Standort waren. Die Stadt hat sie deshalb ins selbe Programm aufgenommen, in dem sich die 1000 Neupflanzungen befinden, die das Amt jedes Jahr vornimmt – mit genauem Gießplan und spezieller Aufmerksamkeit. Die Stadt ist erst seit gut einem Jahr für die besonderen Exemplare zuständig – in den ersten drei Jahren nach Verpflanzung musste die Bahn sich um sie kümmern.

Wie sinnvoll die hochumstrittene Aktion damals gewesen ist, dazu will sich Schirner nicht äußern. Die Standortsuche allerdings hat sich schwierig gestaltet. „Unsere ursprüngliche Aufgabe als Gartenamt war es ausschließlich, passende Flächen zu finden“, erinnert er sich. Dazu mussten die neuen Standorte mit schwerem Gerät anfahrbar sein. „Außerdem kann man nicht überall einfach neue Bäume hinstellen. Wir können hier in Feuerbach zum Beispiel keinen Wald aus einer Heidefläche machen“, sagt Schirner. Deshalb haben die Stuttgart-21-Opfer Plätze ganz am Rand des Gebiets gefunden.

Die großen Bäume sind Anfang 2012 gefällt worden

Für 116 Bäume im Mittleren Schlossgarten gab es Anfang 2012 keine Rettung. Sie wurden gefällt – zumeist, weil sie zu groß waren. „Wir versetzen auch größere Bäume. Eben haben wir das in München mit einer 25-Meter-Platane gemacht“, erzählt Siegert. Im Schlossgarten allerdings sei das damals nicht möglich gewesen: „Man kann in einem Park keine solchen Exemplare durch die anderen durchziehen. Damit würde man zu viele Schäden verursachen.“ Also entschied man sich für die kleineren.

Die Erhaltung der versetzten Bäume wird durch manche äußere Einflüsse nicht einfacher. „Wir kämpfen in den vergangenen Jahren schon sehr mit dem Klimawandel“, sagt Siegert. Der verursache bei den Bäumen durch Hitze und Trockenheit zusätzlichen Stress. „2015 hatten wir zum Beispiel ein ganz trockenes Frühjahr, das eine intensive Wässerung notwendig gemacht hat“, bestätigt Schirner. Immer häufiger muss das Gartenamt Personal von anderen Aufgaben abziehen, um die rund 140 000 Stuttgarter Straßen- und Parkbäume in extremen Wetterlagen versorgen zu können. Den heftigen Regenfällen der vergangenen Wochen zum Trotz geht es dabei meist um Trockenheit. „Wir brauchen immer mehr und immer größere Wasserwagen, die wir von Firmen anmieten“, sagt der Amtsleiter.

Dazu kommen neue Krankheiten. Der Bergahorn im Bonatzweg ist der sogenannten Rußrindenkrankheit zum Opfer gefallen. „Das hat vermutlich mit der Verpflanzung gar nichts zu tun. Dieser aggressive Pilz, der aus Nordamerika zu uns gekommen ist, befällt auch junge und gesunde Ahornbäume“, weiß Siegert. Der Baum muss nun gefällt werden – unter Schutzmaßnahmen. Denn es ist denkbar, dass die Sporen auch für die menschliche Lunge gefährlich werden könnten. Immerhin: Es bleiben 82 versetzte Bäume, die noch stehen.