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Unverhältnismäßig? Staatsanwaltschaft und Polizei im Haus eines pensionierten Richters.

Stuttgart - Die Polizei und die Staatsanwaltschaft sind bei den Gegnern des Bahnprojekts erneut in die Kritik geraten: Die „Juristen zu Stuttgart 21“ warfen ihnen am Montag „unverhältnismäßige und einseitige Ermittlungsverfahren“ vor. Am selben Tag war bekannt geworden, dass das Haus des früheren Stuttgarter Richters Dieter Reicherter durchsucht worden war. Bei der 131. Montagsdemo gab es am Abend deswegen ebenfalls Empörung. Auch Reicherter, der vor seiner Pensionierung Vorsitzender Richter einer Strafkammer des Landgerichts Stuttgart war und in einem Dorf im Schwäbischen Wald wohnt, nahm an der Demo teil.

Claudia Krauth, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, bestätigte die Durchsuchung. Ende Juni habe man, mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss ausgestattet, in Reicherters Wohnung Dokumente in Papierform und zwei Computer sichergestellt. Die Geräte seien, nachdem man die Festplatten „gespiegelt“ habe, zurückgegeben worden. Die Auswertung der Dokumente laufe noch.

Der Verdacht: Verletzung des Dienstgeheimnisses

Gesucht wurden Hinweise, wer Reicherter einen sogenannten Rahmenbefehl des Innenministeriums zum Polizeieinsatz im Zusammenhang mit Stuttgart 21 zugespielt hatte. Aus dem Befehl sei auf einer Internetseite zitiert worden – von Reicherter. Der Richter a. D. betrachtet den Rahmenbefehl nämlich als Anordnung der Bespitzelung von Gegnern und Befürwortern des Projekts auch noch unter grün-roten Regierung. Wegen des Bekanntwerdens des Befehls ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt. Der Verdacht: Verletzung des Dienstgeheimnisses.

Im Internet gibt es inzwischen auch eine Erklärung Reicherters, in der er besonders die Umstände der Aktion kritisiert. Die Beamten seien nicht gleich nach dem Erlass des Durchsuchungsbeschlusses gekommen, sondern als er nach dem Tod seiner Mutter und vor ihrer Beisetzung wegen einer unaufschiebbaren Reise im Ausland gewesen sei. Sie hätten auch nicht gewartet, bis ein Gespräch mit seiner Tochter zustande gekommen wäre, sondern bei seinen Bekannten die Herausgabe des Schlüssels erzwungen – obwohl kein Grund zur Eile bestanden habe. Krauth sagte dazu, sie habe von den familiären Ereignissen nichts gewusst. Um eine böse Absicht der Staatsanwaltschaft handle es sich nicht. Ihres Wissens nach habe man Reicherter im Ausland erreicht und von der Durchsuchung unterrichtet. Frühe Ankündigungen seien nicht üblich.