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Arbeiten bei Gleisvorfeld, Straße und Parkplatz - Parkschützer wollen „ehrlichen“ Stopp.

Stuttgart - Bis zur Einsetzung der neuen grün-roten-Landesregierung will die Bahn bei Stuttgart21 "keine neuen Fakten" schaffen. Trotz dieser Zusage wird am Mittwoch rings um den Hauptbahnhof weiterhin gebaut. Die Kritik daran hält sich bisher in Grenzen.

 

Zwei Arbeiter verladen am Mittwochvormittag auf der S-21-Baustelle am Kurt-Georg-Kiesinger-Platz ein großes Bohrgerät auf einen Tieflader. Der Motor der Baumaschine ist am Abend nach der Landtagswahl von Randalierern erheblich beschädigt worden. "Wir rücken ab", meint einer der Arbeiter achselzuckend. Mehr will er dazu nicht sagen.

Nur wenige Stunden nachdem Infrastrukturvorstand Volker Kefer für die Deutsche Bahn am Dienstag in Berlin angekündigt hat, bei Stuttgart21 "keine neue Fakten zu schaffen - weder in baulicher Hinsicht noch bezüglich der Vergabe von Aufträgen", beginnt in Stuttgart der Rückzug. Das Bild mit dem Bohrgerät könnte also durchaus Symbolcharakter haben - wenn es nicht so trügerisch wäre.

Das Bohrgerät beim Nordausgang des alten Hauptbahnhofs wird nicht nur abgezogen, um die Schäden durch die Sabotage zu beheben. Der Einsatz des Geräts ist vielmehr abgeschlossen. Die Arbeiten auf der Baustelle selbst - wo eine neue Zufahrt zum Parkplatz geschaffen wurde, um Platz zu machen für die Baugrube des unterirdischen Technikgebäudes der S-Bahn - gehen hingegen unvermindert weiter. In den nächsten Tagen dürfte der Parkplatz für Autofahrer geöffnet werden.

Auch im Hauptbahnhof selbst wird am Mittwoch geschafft: Zwischen Gleis 13 und 14 auf Höhe des Stellwerks wird weiter am Gleisvorfeld gearbeitet. Die Warnwesten der Bauarbeiter sind auch aus der Ferne gut erkennbar. Auch an der Überdachung des provisorisch verlängerten Bahnsteigs von Gleis 9 und 10 sind Handwerker zugange; hier werden Aluminiumprofile an die neue Bahnsteigüberdachung angebracht.

Gespenstische Ruhe beim Grundwassermanagement

Neben diesem Bahnsteig sind auch die nördlich gelegenen Plattformen zwischen Gleis 8 und 7 sowie Gleis 6 und 5 bereits um 120 Meter nach außen hin verlängert worden. Bis Juli 2012 sollen dann sämtliche Bahnsteige verlängert und ein kompletter neuer Querbahnsteig (mit den Prellböcken) errichtet sein. Dazu kommt die Verlegung der quer unter den Fern- und Regionalbahngleisen abtauchenden S-Bahn-Tunnel zur Station Hauptbahnhof.

All diese Bauarbeiten im sogenannten Gleisvorfeld sind von dem aktuellen Bau- und Vergabestopp für Stuttgart21 nicht berührt, stellt das Kommunikationsbüro des Projekts am Mittwoch nochmals fest. Das hatte man am Vortag bereits in der Konzernzentrale erwähnt und damit die schriftliche Erklärung des Vorstands Kefer leicht korrigieren müssen. Auch die Arbeiten an "Logistikthemen" im Bereich Nordbahnhof - gemeint sind vor allem Vorbereitungen für die Baustraße vom Hauptbahnhof zum Logistikzentrum im Äußeren Nordbahnhof - bleiben laut Kommunikationsbüro vom Baustopp unberührt.

Am Rande des Schlossgartens, wo das zentrale Grundwassermanagement für die diversen Baugruben im Bereich des Tiefbahnhofs errichtet wird, herrscht am Mittwoch hingegen gespenstischde Ruhe. Nur ein paar Wachleute drehen auf dem weitläufigen Areal ihre einsamen Runden. Hier greift der Baustopp. Der als Nächstes im Terminplan stehende Aufbau der zwölf Kilometer langen Rohrleitungen zu den Baufeldern ist bis auf weiteres vertagt.

Ähnlich still ist es auf der Nordseite des Hauptbahnhofs. Der Bauzaun mit seinen Parolen und Lästereien gegen "Mappusconi" und Co. wirkt fast schon antiquiert; der CDU-Ministerpräsident und seine Truppe sind seit dem Wahlsonntag Geschichte. Hinter dem Bauzaun wird auf einem Riesenplakat für den "neuen Stuttgarter Hauptbahnhof - schneller, komfortabler, zukunftsorientiert" geworben. Auch diese vollmundige Werbung hat sich, wenn es nur nach dem Willen von Grün-Rot geht, überholt.

Vis-Õ-vis des Bauzauns, bei der Mahnwache der Projektgegner, liegen Protestbroschüren gegen S21 und Werbematerial für das Alternativkonzept K21 aus, aber auch Aufrufe zur Anti-Atom-Demo in Neckarwestheim, zur Atomblockade in Gorleben oder für ein Bürgerbegehren zum kommunalen Erwerb der Strom-, Gas- und Wasserleitungen. Die Stimmung unter den Anwesenden ist entspannt. Nur eine Pressemeldung der Parkschützer-Initiative fordert: "Baustopp - aber bitte ehrlich, Herr Kefer!"

Auch im Zeltlager im Park in Sichtweite des Grundwassermanagements ist es am Mittwoch ruhig: Der Protest döst in der Mittagssonne und gönnt sich eine Auszeit.