Während der Südflügel weiter abgerissen wird, hat das Zeltlager der Stuttgart-21-Gegner im Schlossgarten einen unerwarteten Aufschub bekommen. Klicken Sie sich durch Bilder aus dem verschneiten Protest-Camp. Foto: Petsch

Polizei friert Planungen für Großeinsatz im Park ein, weil Land bei Übergabe an Bahn zögert.

Stuttgart - Die Landesregierung zögert mit der Übergabe des Mittleren Schlossgartens an die Deutsche Bahn. Offiziell sind sich Grüne und SPD dabei einig – doch innerhalb der Koalition sorgt das Vorgehen für Ärger. Die verunsicherte Polizei hat die Einsatzplanung bereits eingefroren.

 

Nach außen hin ist alles bestens. Nein, wehrt der stellvertretende Regierungssprecher Arne Braun im Staatsministerium ab, bei Stuttgart 21 habe man mit der SPD „keinen Dissens“. Fast wortgleich äußert sich Daniel Abbou, Sprecher von Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD): „Wir haben keinen Dissens in der Koalition bei Stuttgart 21.“

An anderer Stelle, wo es nicht um offizielle Außendarstellung der grün-roten Landesregierung geht, sondern um einen selbstkritischen Blick ins Innere der Koalition, hört sich das anders an. „Es gibt gewaltigen Ärger zwischen Grünen und SPD wegen der Sache – beide sind deshalb höchst irritiert“, heißt es aus der Landesregierung. Vor allem die Grünen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann stünden wegen S21 „unter Druck“. Das sorgt unter Koalitionären, aber auch darüber hinaus für Gesprächsstoff.

Für S-21-Befürworter in der SPD ist Verzögerung starker Tobak

Stein des Anstoßes innerhalb der Koalition ist der Mittlere Schlossgarten. Er ist im Besitz des Landes. Um Platz zu schaffen für die Baugruben des S-21-Tiefbahnhofs, muss die Deutsche Bahn den Park zwischen dem Abgang zur Klettpassage, Planetarium und Biergarten räumen. Rund 180 Bäume sollen gefällt oder verpflanzt werden. Weil massive Proteste erwartet werden, soll die Baustelle im Park von mehreren Tausend Polizeibeamten abgesichert werden. Und an dieser Stelle hakt die Landesregierung ein.

„Die Deutsche Bahn kann von uns die Überlassung der Parkflächen für ihre Bauarbeiten verlangen“, sagt Regierungssprecher Braun. Grundlage dafür seien Verträge aus dem Jahr 2003. „Ehe wir den Polizeieinsatz planen, werden wir allerdings zwei Verfahren abwarten, die noch beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sind. Es darf nicht einmal der Verdacht aufkommen, dass die Landesregierung wichtige naturschutzrechtliche Belange nicht beachtet.“

Dieses prinzipielle Vorgehen sei in der Regierung abgesprochen, ergänzt Abbou, dessen Minister für die Liegenschaft Schlossgarten zuständig ist. Für die einflussreichen S-21-Befürworter in der SPD-Regierungsmannschaft ist die Verzögerung allerdings starker Tobak. Sie argwöhnen, dass es den Grünen in Wahrheit nur auf eine weitere Blockade des Projekts ankommt.

Bahn zeigt sich zuversichtlich

Bei den Verfahren, die beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) noch anhängig sind, geht es zum einen um eine Beschwerde gegen das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts, das die Rechtsgrundlage zur Parkräumung bestätigt hat, und zum zweiten um einen Eilantrag des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegen die Abholzung der Bäume wegen Mängel im Artenschutz.

Beide Verfahren könnten noch diese Woche entschieden werden. Nach Informationen unserer Zeitung hat die Stuttgarter Polizei am Dienstag trotzdem alle Planungen für den Einsatz im Park auf Eis gelegt. Auch die verbindliche Zusage der Bahn, dass man bei einer VGH-Entscheidung gegen das Projekt im BUND-Eilverfahren sämtliche Kosten für einen Abbruch des Einsatzes übernimmt, hat daran nichts geändert. Stattdessen soll das Land auch die Kostenübernahme im Falle einer Niederlage im zweiten Verfahren gefordert haben. Dies hat die Bahn angeblich abgelehnt.

Falls der VGH bis zum Wochenende beide Verfahren abschließt, könnte die Polizei frühestens am 13. Februar den Park absperren. Gegenüber der Presse zeigt sich die Bahn zuversichtlich. „Wir gehen nach wie vor davon aus, dass wir die Flächen ohne Bedingung erhalten“, sagt S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich am Dienstag. Im Konzern heißt es, dass man jetzt auf ein direktes, klärendes Gespräch von Bahn-Chef Grube mit Ministerpräsident Kretschmann hoffe. Grube hatte am Dienstag in einem Radio-Interview gesagt, dass S21 wahrscheinlich erst Ende 2020, also ein Jahr später als geplant, in Betrieb gehen werde. Grund dafür seien diverse Unterbrechungen der Bauarbeiten wegen der Proteste und der Schlichtung.