Falls Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann zum Ministerpräsident gewählt wird, will er Landeszuschüsse für Stuttgart 21 sofort einstellen. Foto: dpa

Neues Gutachten besagt, dass Finanzierung von Stuttgart 21 gegen das Grundgesetz verstößt.

Stuttgart - Im Ringen um das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm ist das Heer der Gutachter größer worden. Am Montag trat im Landtag der Rechtsprofessor Hans Meyer vor die Presse und erhärtete den Vorwurf der Grünen, der Landeszuschuss für das Bahnprojekt verstoße gegen das Grundgesetz. Die Finanzierungsverträge zu Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm seien nichtig. Vier Monate vor der Landtagswahl kündigte Winfried Kretschmann, Fraktionschef der Grünen im Landtag, daher die sofortige Einstellung von Zuschusszahlungen und Rückforderungen an, falls man Regierungsverantwortung bekomme.

Die Mitfinanzierung durch das Land verstößt nach Auffassung des Professors von der Humboldt-Universität Berlin gegen den Artikel 104a, Absatz 1 des Grundgesetzes. Danach müssten der Bund und die Länder jeweils gesondert die Ausgaben selbst finanzieren, die sich aus der Wahrnehmung ihrer eigenen Aufgaben ergeben. Der Bau von Schienenstrecken und Bahnhöfen wird von Hans Meyer und den Grünen ganz klar als Bundesaufgabe eingestuft. Auch angeblich übergeordnete Interessen wie wirtschaftliche Impulse für Region und Land dürften in dieser Frage keine Rolle spielen. Verfassungspolitisch wäre es problematisch, wenn einzelne Länder durch Zuschüsse die "Prioritätsentscheidungen" der Bahn beeinflussen dürften. Das Land leiste sich überdies eine "Desavouierung", also Bloßstellung, des Systems Länderfinanzausgleich. Das Land als maßgeblicher Zahler habe zwar jüngst wieder eine Klage angedroht, dokumentiere aber "mit dem erheblichen finanziellen Einsatz für eine landesfremde Angelegenheit, dass es für die eigenen Aufgaben offensichtlich mehr als genug Geld hat".

"Zwei Juristen, zwei Meinungen"

Die Gegenseite im Stuttgart-21-Streit gab sich danach betont gelassen. Es handle sich um einen verzweifelten Versuch, das Bahnprojekt doch noch in Misskredit zu bringen, erklärte Landesverkehrsministerin Tanja Gönner (CDU). Bei der Frage der Wirtschaftlichkeit der Strecke seien die Gegner ja gerade gescheitert - weil das Bundesverkehrsministerium bescheinigt habe, dass jeder Euro Investition einen volkswirtschaftlichen Nutzen von 1,50 Euro bringe.

Anders als nach dem Vorstoß der SPD für einen Volksentscheid, will die Landesregierung in diesem Fall aber kein eigenes Gutachten einholen. Sie hat ja auch schon eines. 2007 bescheinigte die Kanzlei Dolde und Partner dem Land, die Beteiligung sei verfassungskonform. Damals hatte die Einschätzung eine Rolle gespielt, dass es sich um eine "unechte Gemeinschaftsaufgabe" mit übergeordneten Interessen des Landes handle. Diesen Begriff beurteilte Meyer als eine nicht sehr intelligente Erfindung.

"Zwei Juristen, zwei Meinungen", sagte Flughafendirektor Georg Fundel auf Anfrage. Sein Unternehmen bezahlt 227 Millionen Euro für die Einbindung des Flughafens in das Projekt Stuttgart 21 - Gelder, die vom Land und der Stadt als Gesellschafter zu verantworten sind. Es sei doch heute üblich, dass starke Bundesländer sich an Infrastrukturprojekten beteiligen oder die Kosten vorfinanzieren, meinte Fundel. Das Gutachten beirre ihn nicht. Die Flughafen GmbH würde nur dann Geld zurückfordern, wenn das Konzept Kopfbahnhof 21 verwirklicht würde. Dann lohne der Nutzen für den Flughafen den Aufwand nicht. Doch die Alternative K 21 stehe seit der Schlichtung mehr denn je als "zahnloser Tiger" da.