Fasziniert verfolgen die Gäste der Führung den technischen und logistischen Aufwand der Arbeiten am Feuerbacher Tunnel Foto: Heiss/Lichtgut

Am Wochenende hat die Bahn ihre Tunnelbaustelle für den unterirdischen Weg vom Hauptbahnhof nach Feuerbach 500 Bürgern gezeigt. Lärmschutz für die Anwohner ist dabei ein großes Thema.

Stuttgart - Insgesamt 60 Kilometer Tunnel werden beim Bahnprojekt Stuttgart 21 gebaut. Auf dem Streckenabschnitt zwischen dem Hauptbahnhof und Feuerbach führen dann zwei 2,5 Kilometer lange Tunnelröhren unter dem Wartberg beim Pragsattel hindurch. Unterirdisch streifen sie den Höhenpark Killesberg. „Zwischen den beiden Röhren gibt es alle 500 Meter Querverbindungen, um die Leute im Bedarfsfall von einer Röhre in die andere zu bringen“, sagt Projektingenieur Tunnelbau, Matthias Florax, bei der Führung durch den als Zwischenangriff Prag bezeichneten, rund 360 Meter langen, 11,5 Meter hohen und neun Meter breiten Zugangsstollen, der in der vergangenen Woche fertiggestellt wurde.

Rund 1600 Meter des Feuerbacher Tunnels führen durch Gipskeuper. „Bevor wir diese Zone erreichen, machen wir umfangreiche Erkundungen, damit wir Wassereinbrüche und Aufquellen vermeiden.“ Für Tunnelingenieure sei dies jedoch nichts Neues: „Das gab es schon beim Bau der Stuttgarter Straßenbahn- und S-Bahn-Netze. Alles ist damals gut gegangen.“ Trotzdem ist die Arbeit an der S-21-Baustelle für den Experten, der seit 13 Jahren bei Großprojekten der Bahn, darunter auf den Strecken von Ebersfeld nach Erfurt und von Nürnberg nach Ingolstadt, eingesetzt wird, etwas Besonderes: „Die bisherigen Baustellen lagen gewissermaßen auf der grünen Wiese mit viel Platz. Hier arbeiten wir innerstädtisch auf sehr engem Raum.“ Die Enge zwingt die Arbeiter zu mehr Ordnung als sonst. Vor dem Eingang zum Zugangsstollen, den die Bergleute Selma-Tunnel getauft haben, stehen blaue Baucontainer, Bagger und Radlader akkurat in Reih und Glied am rechten Fahrbahnrand, weil anderen Fahrzeugen sonst die Einfahrt auf der schmalen Straße versperrt würde.

Vor allem beim Abtransort des Erdaushubs entsteht nachts Lärm

Rund zwei Meter pro Tag werden sich die Bergleute mit gewaltigen, mit hydraulischen Meißeln und Schaufeln bewehrten Maschinen durchs Erdreich fressen. Es ist ein sogenannter Bagger-Sprengvortrieb. „Gerade beim besonders festen Gipskeuper müssen wir Lockerungssprengungen machen“, sagt Matthias Florax. Täglich zwei Meter Vortrieb klingt nach nicht gerade viel, aber die Arbeiter müssen den Tunnel mit Metallbögen, Ankern und Spritzbeton sichern, damit der Aushub nicht einstürzt. Genauso haben sie es mit dem Zugangsstollen gemacht. Später wird der Spritzbeton durch 450 bis 80 Zentimeter dicke Betonröhren ergänzt. Dabei werden insgesamt rund 70 000 Kubikmeter Beton verbaut.

Auf der gesamten Strecke vom Hauptbahnhof nach Feuerbach entstehen insgesamt rund 650 000 Kubikmeter Abraum, der täglich von Radladern abtransportiert werden muss. „Wir haben für die unterschiedlichen Gesteinssorten Verträge mit 40 Erddeponien“, sagt David Bösinger, Pressesprecher des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm. Vor allem beim Abtransort des Erdaushubs entsteht nachts Lärm, denn der Gesetzgeber schreibt vor, dass Lastwagen piepsen müssen, wenn sie rückwärts fahren. „Wir haben bei vielen der Fahrzeuge das Piepsen durch ein Krächzen ersetzt. Bei einigen der Fahrzeuge können wir das nicht, weil sie sonst ihre Straßenverkehrszulassung verlieren“, sagt David Bösinger.

Um die Anwohner nachts zu schonen, werde der Abraum im Tunnel gelagert und tagsüber abtransportiert. „Das dürfte schon viel helfen, aber eine leise Baustelle gibt es leider nicht“, sagt David Bösinger. 55 Dezibel Lärm seien am Tunnel gemessen worden, knapp weniger als die 56 Dezibel, die nicht überschritten werden dürfen. Beim Wagenburgtunnel etwa verringere eine Schallschutzwand die Lärmemission. Bald werde sie um eine waagrechte Schutzwand ergänzt: „Was wir hier sonst noch tun werden, ob wir beispielsweise Schallschutzfenster einbauen, wissen wir leider noch nicht, denn beim Hauptvortrieb ändern sich viele Arbeitsabläufe“, sagt der Pressesprecher.

Das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm wird von der Bahn, dem Land Baden-Württemberg, dem Verband Region Stuttgart, dem Flughafen Stuttgart und den Kommunen Stuttgart und Ulm getragen. Mit Führungen wie beim Zwischenangriff Prag wollen sie den Bürgern die technischen Herausforderungen des Bahnprojekts S 21 nahebringen.