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Auch Region finanziert Verein, der Wahlempfehlung abgibt – Urnengang kann gefährdet sein.

Stuttgart - Am 27. November sollen die Bürger über die Landesbeteiligung am Bahnprojekt Stuttgart 21 abstimmen. Die Pro- und Contra-Gruppen zum Tiefbahnhof haben dazu Kampagnen gestartet. Auch die Stadt und die Region unterstützen die Befürworter - damit begeben sie sich in eine rechtliche Grauzone.

Die Volksabstimmung zur Mitfinanzierung von Stuttgart 21 durch das Land - maximal 931 Millionen von 4,5 Milliarden Euro - ist erst die dritte in Baden-Württemberg. Und die erste, der kein Volksbegehren vorausging. Entsprechend groß ist die Unsicherheit in Städten, Gemeinden und Landkreisen. Was darf die Kommune, was dürfen ihre Vertreter? Was könnte die Abstimmung gefährden?

Um Amts- und Würdenträgern Sicherheit zu geben, haben die Kommunalen Landesverbände, also Landkreistag, Städte- und Gemeindetag, sieben Seiten mit Geboten für ihre Mitglieder verfasst. Das Innenministerium half dabei. Die Handreichung hat einen ernsten Hintergrund. Wer die Gebote missachtet, könnte die gesamte Abstimmung gefährden: "Verstöße gegen diese Gebote kann jeder Stimmberechtigte beim Staatsgerichtshof Baden-Württemberg auf eine unzulässige Beeinflussung des Abstimmungsvorgangs hin überprüfen lassen", heißt es einleitend.

Direkte finanzielle Zuwendungen ruhen zurzeit

Auf Seite vier folgt dann eine deutliche Weisung: "Hingegen sind kommunale Zuwendungen an Vereinigungen, die unmittelbare Abstimmungsempfehlungen zur Volksabstimmung abgeben, nicht zulässig." Der Stuttgarter Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle, ein Grüner und erklärter Stuttgart-21-Gegner, hatte am 26. Oktober alle Fraktionen des Gemeinderats auf diesen Passus hingewiesen. Auch sie dürfen keinen Pro- oder Contra-Verein finanziell fördern. Es seien hier "dieselben Regeln anzuwenden, die auch für die Landeshauptstadt Stuttgart gelten", schreibt Wölfle.

Die Stadt aber ist nicht nur seit Jahren Mitglied im Verein Turmforum (www.turmforum.de), der im Bahnhofsturm Stuttgart21 präsentiert. Sie ist auch Mitglied im Verein, der das Kommunikationsbüro des Projekts (www.stuttgart-21.de oder www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de) trägt. Direkte finanzielle Zuwendungen erhält dieser Verein zurzeit nur noch von der Bahn. Das Land als zweiter hälftiger Zahler lässt seine Mitgliedschaft ruhen. Zuletzt zahlte es (unter der alten Regierung) am 4. November 2010 genau 1,4875 Millionen extra. Die Regelzuwendung 2011 betrug 1,071 Millionen Euro. Der Verein nutze aber noch das Landeswappen, sagt der Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann. Diese Nutzung sei "ein nicht geklärter Streit".

Die Stadt zahlt dem Kommunikationsbüro direkt nichts. Sie übernimmt aber die Kosten der dort angesiedelten Bürgerbeauftragten - eine volle Stelle. Im Turmforum e.V. ist die Stadt für ein Drittel, die Bahn für den Rest des Budgets verantwortlich. Summen werden auf Anfrage vom Kommunikationsbüro nicht genannt. Zum Start des Turmforums waren es rund 300.000 Euro jährlich.

Stadt ist Projektförderpflicht eingegangen

Dass man auf der Startseite des Internetauftritts von Turmforum.de und Stuttgart-21.de eine klare Wahlempfehlung (Nein bei der Volksabstimmung) abgibt, findet die Bürgerbeauftragte Alice Kaiser in Ordnung. "Das war eine Reaktion auf die vielen Fragen zur Abstimmung", sagt sie.

Tatsächlich ist die Stadt mit ihrem Beitritt zu beiden Vereinen vor Jahren auch eine Projektförderpflicht eingegangen. Diese kollidiert nun mit den Regeln, die die Verbände und das Ministerium zur Volksabstimmung fixiert haben. Die Stadt verletze damit ihr Neutralitätsgebot nicht, gibt sich Sprecher Markus Vogt überzeugt.

Die Grünen im Gemeinderat sehen das anders. "Die Stadt darf das Neutralitätsgebot nicht verletzten", bemängelte Stadtrat Jochen Stopper am Dienstag das Vorgehen.

Auch der Verband Region Stuttgart ist Mitglied im Verein für Stuttgart-21.de. Er hat eine Broschüre an die Haushalte der Region gegeben, in der die Internetseite des Bahnprojekts mit der "Nein"-Empfehlung als Info-Stelle angepriesen wird.

"Es gilt das Gebot zur Sachlichkeit. Wir als Verband dürfen keine Abstimmungsempfehlung geben", weiß Sprecherin Dorothee Lang. Man sei aber als Regionalverband keine Kommune, so Lang zu den Geboten weiter. Es gebe "keine Erkenntnisse", dass das Vorgehen - Geld für den Verein und der Hinweis in der Broschüre - "nicht rechtmäßig ist", so Lang. Aber hat der Regionalverband diese Rechtsfrage überhaupt prüfen lassen? Lang will die Frage nicht beantworten. Eine Prüfung hat also offenbar gar nicht stattgefunden.