Ob die bisherigen Gleisflächen in Stuttgart bebaut werden können, entscheidet sich in Berlin. Foto: IMAGO/A/rnulf Hettrich

Die im Dezember 2023 verschärfte Rechtslage im Umgang mit nicht mehr benötigten Gleisflächen soll nochmals geändert werden. Die Ampel in Berlin tüftelt an einer Neufassung. Die FDP wittert Verzögerungstaktik im Bundeslandwirtschaftsministerium.

Die Berliner Ampelkoalition hat eigentlich ausreichend Baustellen. Das bis dato allenfalls Eingeweihten geläufige Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) ist nun auch noch auf die Liste der zu erledigenden Angelegenheiten von SPD, Grüne und FDP dazu gekommen. Denn die von eben jenen Fraktionen im Bundestag Ende vergangenen Jahres beschlossene Verschärfung des AEG erschwert zahlreiche städtebauliche Entwicklungen auf Gleisflächen massiv.

 

Zahlreiche Projekte betroffen

Prominentestes Beispiel ist das Rosensteinviertel in Stuttgart – aber auch anderswo im Land und in der Republik sind Vorhaben in Frage gestellt, etwa in Ulm, Nürtingen, München und Düsseldorf. Allen Projekten gemein ist, dass es dafür eine sogenannte Freistellung braucht – ein rechtlicher Akt, der die bisherigen Bahnflächen auch für andere Nutzungen öffnet.

Auf massiven Druck aus den betroffenen Städten, aber auch aus eigener Einsicht, haben sich die Koalitionäre an eine abermalige Änderung des Gesetzes gemacht. Bereits Anfang Oktober erklärte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), dass das Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) einen Änderungsvorschlag erarbeitet habe, „der Abhilfe schaffen würde. Dieser Regelungsvorschlag befindet sich derzeit in Abstimmung innerhalb der Bundesregierung und soll den Regierungsfraktionen zügig als Formulierungshilfe zur Verfügung gestellt werden“.

Bremsen Grüne im Bund?

Die rot-gelbe Einigungsbereitschaft soll nun aber von grüner Seite in der Ampel ausbremst werden. So sehen es zumindest zwei baden-württembergische Verkehrspolitiker der FDP. Landtagsabgeordneter Christian Jung und Bundestagsabgeordneter Valentin Abel. Teil der möglichen neuen Regelung sei auch eine Prüfung „ob die Voraussetzungen für die Freistellung von Flächen angepasst werden können, um langfristige Planungen im Städtebau zu ermöglichen. Gegen die Prüfung hat die Leitungsebene des Bundeslandwirtschaftsministeriums von Bundesminister Cem Özdemir innerhalb der Bundesregierung ihr Veto eingelegt – ohne einen Grund zu nennen“, schreiben die beiden Liberalen. Neben Özdemir kritisieren sie auch das Agieren von Matthias Gastel. Der Filderstädter ist bahnpolitischer Sprecher der Bundestags-Grünen.

Die „sehr unglückliche Novellierung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes“ habe erhebliche Auswirkungen auf Baden-Württemberg, sagt Christian Jung. „Mir ist deshalb unverständlich, warum Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Matthias Gastel gerade in Berlin verhindern, dass es zu einer Neuregelung kommt“. Sein Parteifreund Abel erinnert an die Betroffenheit jenseits von Stuttgart „Seit Wochen blockiert Özdemir grundlos eine nötige Gesetzesänderung. Auch die Bahnstadt in Nürtingen und städtebauliche Projekte in der Innenstadt von Ulm sind von Özdemirs Weigerung, das Gesetz zu reformieren, betroffen“. Beide erinnern in dem Zusammenhang an Özdemirs Ambitionen bei der Nominierung der Grünen zum Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2026 in Baden-Württemberg.

Verärgerung bei der Stadt und in der Region

Die Gesetzesänderung hat in Stuttgart für mächtig Aufwallung gesorgt. Stuttgarts OB Frank Nopper (CDU) sprach mit Blick auf die Bundestagsentscheidung von „einem Zustand kollektiver legislativer Verirrung“. Wegen des für Nopper auf der Hand liegenden Eingriff in die kommunale Planungshoheit brachte er einen Gang vors Bundesverfassungsgericht ins Spiel.

Die Regionalversammlung Stuttgart hat in ihrer jüngste Sitzung beschlossen, die Position der Landeshauptstadt zu unterstützen. SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Leipnitz wird deutlich. „Herr Gastel sollte aufhören, Spielchen zu spielen und endlich seinen Job als Bundestagsabgeordneter machen und einer Novelle des AEG nicht länger im Wege stehen. Mit seiner Verzögerungstaktik schadet er nicht nur dem Wohnungsbau in Stuttgart, sondern auch dem in seinem eigenen Wahlkreis in Nürtingen“.

Ministerium dringt auf geordnetes Verfahren

Im Bundeslandwirtschaftsministerium will man nicht viel zu der Angelegenheit sagen. Ein Sprecher teilt lediglich mit, man habe „keine inhaltlichen Einwände gegen das Gesetz, es geht hier nur um ein geordnetes Verfahren. Ansonsten bitte ich um Verständnis, dass wir uns zu regierungsinternen Abstimmungen nicht äußern.“