Bohrkerne aus dem Schlossgarten sind eine Fundgrube für die Wissenschaftler Hans-Peter Stika, Andreas Lehmann und Joachim Eberle. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Wer sie lesen kann, für den erzählen die Gesteinsschichten aus rund 40 Meter tiefen Bohrungen im Schlossgarten Geschichte. Die Unis Hohenheim und Tübingen wollen das Material aus der Stuttgart-21-Baustelle auswerten.

Stuttgart - Die Projektgesellschaft Stuttgart–Ulm hat am Mittwoch im Schlossgarten sieben Paletten mit bis zu 40 Meter aus Bohrungen gewonnenem Gestein an die Universitäten Hohenheim und Tübingen übergeben. Die je einen Meter langen, aus sägerauen Brettern zusammengenagelten Holzkisten mit ihrem teils krümeligen Inhalt wirken unscheinbar. Die Charge Bohrkerne kann Wissenschaftlern aber Aufschluss über die Vegetation und die Siedlungs- und Klimageschichte in Stuttgart geben. Das Umweltministerium unterstützt die Forscher mit 27 000 Euro. Ministerialdirektor Helfried Meinel übergab den Förderbescheid.

Die Bohrkerne mit dem Umfang einer Sprudelflasche sind ein Teil jener insgesamt 70 Bohrungen, die die Bahn bereits 2009 auf dem Gelände der heutigen Tiefbahnhof-Baustelle vorgenommen hat. Damit, so der stellvertretende Teilprojektleiter Mark Theilemann, konnte die nötige Gründung für den Bahnhofstrog ermittelt werden.

Bis in elf Monaten Ergebnisse

Die Bahn braucht die Bohrkerne für Stuttgart 21 inzwischen nicht mehr. Für die Wissenschaftler sind sie wertvoll. Sie erhoffen sich aus den Ablagerungen des Nesenbachs Rückschlüsse zur Besiedlung und der umgebenden Landschaft. Es ist möglich, Naturereignisse zu datieren, die Einfluss auf die Besiedlung nahmen. Bei den Bauarbeiten, die auf Initiative der Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch (Grüne) von Archäologen begleitet werden, gab es Funde, die bis zur Bronzezeit (2000 vor Christus) reichen.

Mit den Bohrkernen wollen die Wissenschaftler mehrere Hunderttausend Jahre in die Erdgeschichte zurückblicken. Vier Kisten werden in Tübingen, drei in Hohenheim untersucht. Die Kooperation der Unis verantworten die Wissenschaftler Andreas Lehmann und Joachim Eberle. Elf Monate veranschlagen sie bis zur Präsentation erster Ergebnisse. Lehmann stellt eine Animation zur Entstehung des Stuttgarter Kessels in Aussicht. Die Wissenschaftler haben Blut geleckt. Mehr Bohrkerne könnten mehr Erkenntnisse bringen. Die Projektgesellschaft werde über eine weitere Lieferung nachdenken, sagte deren Sprecher Jörg Hamann.