Die Rohre für das Grundwassermanagement am Hauptbahnhof sind seit langem unübersehbar – wie und wann es abläuft, ist noch ungeklärt und soll öffentlich erörtert werden. Foto: Peter-Michael Petsch

Nach dem Abbruch der öffentlichen Erörterung zum Grundwasserschutz bei Stuttgart 21 ist das Image des Regierungspräsidiums Stuttgart schwer angekratzt. Behördenchef Johannes Schmalzl will die Ursachen intern weiter aufklären, ehe er sich äußert.

Stuttgart - Zurückhaltend haben das Staatsministerium, andere Landesministerien, die Stadt Stuttgart sowie Befürworter und Gegner von Stuttgart 21 am Mittwoch auf den Abbruch des Erörterungsverfahrens zum Grundwasserschutz beim Bahnhofsbau in Stuttgart reagiert. Aber in den Ministerien wurde der Vorgang aufmerksam registriert – überwiegend als Fehlleistung des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart.

Eine offizielle Reaktion der Landesregierung gab es nicht. Seine persönlichen Eindrücke brachte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet auf den Nenner: „Wir sind unglücklich über die Entwicklung und irritiert, dass offenbar nicht hinreichend geprüft war, ob das Verfahren mit der notwendigen Objektivität über die Bühne gebracht werden kann. Der Fehler liegt eindeutig beim Regierungspräsidium.“

Aus Regierungskreisen verlautete ergänzend, man habe von Anfang an auf eine unabhängige und objektive Leitung der Erörterung Wert gelegt. Daher könne man jetzt auch nicht intervenieren. Man erinnert sich aber, dass bereits bei der grün-roten Regierungsübernahme 2011 über die Neubesetzung der Chefstelle beim RP nachgedacht worden war. Doch Johannes Schmalzl (FDP) war zu jung, als dass man ihn ohne öffentlichen Protest in den vorgezogenen Ruhestand hätte schicken können. Und eine andere Verwendung für ihn bei gleicher Vergütung gab es nicht. Dass sich später FDP-Pläne zerschlugen, Schmalzl zum Generalbundesanwalt zu machen, führt man in Stuttgarter Regierungskreisen nicht zuletzt auf Schmalzls Auftreten zurück.

Kurzfristig nicht mit Ablösung zu rechnen

Jetzt könnte der Wunsch, ihn zu versetzen, sich wieder verstärken. Aber kurzfristig ist nicht mit einer Ablösung zu rechnen. Dafür müssten sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Reinhold Gall (SPD) zusammentun. Gall reagierte zumindest am Mittwoch aber auch nicht. „Wir äußern uns nicht“, sagte sein Sprecher Andreas Schanz. Aus dem von Franz Untersteller (Grüne) geführten Umweltministerium kam ein Satz: „Das geplatzte Erörterungsverfahren ist nicht gerade ein Kompliment für alle Beteiligten.“

Untersteller hatte sich von Anfang an für einen Termin im September ausgesprochen, wenn auch die Stellungnahme der Stadt zum geänderten Grundwassermanagement vorliegt. So wird es jetzt, allerdings aus anderen Gründen, wohl kommen. Die Erörterung solle mit einem anderen Versammlungsleiter so schnell wie möglich nach den Sommerferien wiederholt werden, teilte das RP mit.

Ruf der ganzen Behörde nun beschädigt

Intern gab es in der Behörde große Geschäftigkeit. Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten herrschte Fassungslosigkeit, weil Versammlungsleiter Joachim Henrichsmeyer Kollegen und Vorgesetzte nicht vorgewarnt hatte, dass er für befangen gehalten werden könnte. Tenor hinter verschlossenen Türen: Der Ruf der ganzen Behörde, die bisher alle Fallstricke bei Stuttgart 21 habe umgehen können, sei nun beschädigt. Offiziell erklärte das RP: „Wir sind unglücklich über diese Entwicklung. Wir mussten uns am Dienstag auf einen für uns neuen Sachverhalt einstellen. Die Entscheidung, die Erörterung zu beenden und zu wiederholen, war richtig so.“ Mehr will Schmalzl allenfalls nach weiterer interner Klärung sagen.

Außerhalb des Regierungspräsidiums stellt sich auch die Frage, warum die Panne nicht verhindert werden konnte. Dem Einsatz von Henrichsmeyer waren die üblichen Besprechungen vorausgegangen. Dabei wurden alle möglichen Fälle diskutiert. Allerdings nicht, dass Henrichsmeyer sich Ende 2011 in Internetforen abschätzig über S-21-Gegner geäußert hatte. Und dass er sich für den wegen eines NS-Vergleiches umstrittenen und vom Oberkirchenrat damals zeitweise suspendierten Pfarrer und S-21-Befürworter Johannes Bräuchle verkämpfte.

Am Dienstag hatte Henrichsmeyer kurz vor dem Abbruch der S-21-Erörterung erklärt, er sei damals „bei einer höheren Baurechtsbehörde“ gewesen. Nach Informationen unserer Zeitung war er im RP schon damals in dem für die S-21-Planfeststellung zuständigen Referat tätig.

RP-Sprecher: „Der Frage der Befangenheit gehen wir nach“

Ob Henrichsmeyer, was dieser bestreitet, tatsächlich einen in einer Zeitungsanzeige veröffentlichten Pro-S-21-Appell mit unterzeichnet hat, will das RP prüfen. Die Anzeige hatte den letzten Befangenheits-Vorwurf ausgelöst und letztlich zum Abbruch der Erörterung geführt. Bei den Organisatoren der Anzeige war am Mittwoch die Authentizität des Namenseintrags nicht zu klären. Die Einträge seien per Internet erfolgt, mögliche Zuschüsse zu den Kosten der Anzeige nicht ad hoc zu klären.

„Der Frage der Befangenheit gehen wir nach“, sagt RP-Sprecher Peter Zaar. Henrichsmeyer sei gebeten worden, sich schriftlich zu äußern.

Auf einen Zwischenruf aus dem Publikum, der ihm die CDU-Mitgliedschaft zuschrieb, hatte Henrichsmeyer am Dienstag mit der Aussage reagiert, dass er nicht in der CDU sei. „Herr Henrichsmeyer war bis zu seinem Austritt am 30. Dezember 2009 Mitglied der CDU“, sagt dazu Ilona Koch, die Sprecherin und frühere Vorsitzende des Stadtverbands Leinfelden-Echterdingen. Er sei damals ihr Stellvertreter gewesen. Der Jurist, der sich bei zwei Kommunalwahlen erfolglos versucht hatte, habe mehr als zehn Jahre lang der Partei angehört.

Die Mitgliedschaft ist für die Frage nach einer Befangenheit aber völlig unerheblich.