450 Besucher kamen zum Forum Stuttgart 21 auf die Landesmesse Foto: Leif Piechowski

Mit interaktiver Grafik - Fast 20 Jahre nach der öffentlichen Vorstellung der Machbarkeitsstudie und nach vielen Verzögerungen soll es beim Bahnprojekt Stuttgart 21 jetzt Schlag auf Schlag gehen. Am Donnerstag beginnt der Bau des Fildertunnels, am 5. August rollen die Bagger für den Tiefbahnhof.

Stuttgart - Die Bahn wird in den nächsten vier Wochen beim Projekt Stuttgart 21 nicht nur den Fildertunnel offiziell beginnen. Auch am Hauptbahnhof sollen trotz einer fehlenden Genehmigung die Bagger rollen. „Am 5. August beginnen wir mit der Baugrube Nummer 16. Da öffnen wir den Trog“, verkündet Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer am Montagabend beim Forum Stuttgart 21 der Stuttgarter Nachrichten auf der Messe. Der Termin habe einen „hohen symbolischen Wert“.

Bis zu 30 Meter tief, 80 Meter breit und einen Kilometer lang wird die in 25 Segmente gegliederte Baustelle im Herz der Stadt werden. Der Bahn fehlt noch die Genehmigung des Eisenbahn-Bundesamtes (Eba). Es soll erlauben, dass die Bahn mehr als das Doppelte der bisher genehmigten Grundwassermenge abpumpt: 6,8 Millionen Kubikmeter. „Das Risiko ist tragbar, wir gehen davon aus, dass die Genehmigung bis Herbst kommt“, sagt Kefer vor rund 450 Zuhörern im Kongresszentrum der Landesmesse. Bis dahin könne man mit der bestehenden Erlaubnis bauen.

Groß feiern will der Konzern den Spatenstich im Schlossgarten offenbar nicht. Einen Festakt mit Namensgebung gebe es nur bei Tunneln, und zwar zu Ehren der Mineure, die einer nach wie vor gefährlichen Arbeit nachgehen, heißt es im S-21-Projektbüro. Am Donnerstag dieser Woche wird Tülay Schmidt, Ehefrau des Finanzministers Nils Schmidt (SPD), den Fildertunnel an der A 8 anschlagen. Auch Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) wird dabei sein.

Die Baugrube im Schlossgarten:

Trotz der Baustarts bei Stuttgart 21 und auf der anschließenden Strecke Wendlingen-Ulm sei mancher Abschnitt auf „kritischem Pfad“, merkt Jörg Hamann, Lokalchef der Stuttgarter Nachrichten, an. Sei der Fertigstellungstermin Dezember 2021 überhaupt noch haltbar? Er werde gegenüber den Baufirmen nicht locker lassen und auch beim Termin für den Flughafenbahnhof nicht einknicken, zeigt sich Kefer kämpferisch.

Wie es bei einem Projekt, das allein in Stuttgart einen Tunnelanteil von 60 Kilometern hat, schneller gehen könnte, verdeutlicht der Unternehmer Martin Herrenknecht. Seine Firma baut gigantische Bohrmaschinen – und ist damit weltweit erfolgreich.

Wenn die Bahn beim Albvorlandtunnel bei Kirchheim (8176 Meter) in der Ausschreibung auch den maschinellen Bau zulasse, „werden Sie in der vorgegebenen Zeit fertig“, sagt Herrenknecht (72) zu Kefer. Herrenknecht moniert teils fehlenden Wettbewerb. Beim Albabstiegstunnel vor Ulm „hätte die Bahn laut Uni-Gutachten mit der Maschine 20 bis 25 Millionen Euro sparen können“, sagt der streitbare Ingenieur. Die Bahn hat den Auftrag für 250 Millionen Euro vergeben. Gebuddelt wird konventionell mit Sprengladung und Baggern. Nicht jedes Gestein eigne sich für die Maschine, kontert Kefer.

Herrenknecht, der trotz einer Gallenstein-OP vor erst vier Tagen auf dem Podium saß, erntet Beifall für seine klaren Aussagen. Von manchem der rund 450 Zuschauer im Kongresszentrum der Messe gibt es aber auch Kopfschütteln oder eine wegwerfende Handbewegung. Zum Beispiel, als Herrenknecht mehrfach fordert, lieber bei S 21 mehr Geld auszugeben als „für Griechenland oder die Ukraine zu spenden“. Auch für einen Filderbahnhof „Plus“, Ergebnis des Filderdialogs 2012, würde Herrenknecht, der vor Jahren mit der Auswanderung in die Schweiz gedroht hatte, „gern Steuern zahlen“.

Den Flughafenanschluss für 224 Millionen Euro zu verbessern (indem der S-Bahn -Halt unter den Terminals unverändert bleibt und Züge der Gäubahn in den neuen Fernbahnhof fahren) hält Regionalpräsident Thomas Bopp zwar für wünschenswert, das Thema sei aber durch. „Ich bin nicht der Ministerpräsident“, sagt der CDU-Politiker, „es geht eben nicht.“ Auch Kefer denkt pragmatisch: „Wenn keiner zahlen will, ist dann die bessere Lösung wirklich die besserer Lösung?“ Herrenknecht versteht die Debatte um 224 Millionen Euro angesichts von Gesamtkosten bis Ulm von rund zehn Milliarden Euro nicht: „Wer die beste Infrastruktur hat, überlebt!“ Die Deutschen seien technikfeindlich geworden, findet der Mann, der sich 1975 selbstständig gemacht hat und dessen Unternehmen heute Weltmarktführer ist. Der Bau des Fildertunnels mit seiner Maschine sei „das grünste Projekt Deutschlands“, weil „man im Gegensatz zum Sprengvortrieb nichts hört und der An- und Abtransport des Materials über die Autobahn erfolgt und nicht durch die Stadt“.

Die Tunnelbohrmaschine

Im Tal wird die 120 Meter lange Maschine in einer extra Kaverne unter dem Wagenburgtunnel gedreht und für die Bergauffahrt neu zusammengebaut. „Ich habe der Mannschaft einen Ochsen am Spieß versprochen, wenn Sie unten ankommt“, zeigt der Ingenieur, wie er seine Belegschaft motiviert.

Motivieren will auch Bopp, und zwar die Bevölkerung. Die Projektpartner müssten „mehr Begeisterung nach außen tragen“. In Ulm sei eine „ganz andere Stimmung als hier in Stuttgart“, erlaubt sich der Regionalpräsident einen Seitenhieb auf Stuttgarts OB Fritz Kuhn. Der Grüne hat konstruktiv-kritische Begleitung versprochen, mehr nicht.

Auch Volker Kefer wünscht sich mehr Unterstützung. Die Jahre, als sich Ingenieure den Wechsel ins S-21-Büro mehrfach überlegten, seien zwar vorbei. Die existenziellen Diskussionen hätten seine Mitarbeiter aber „ziemlich an die Grenzen unserer Kraft geführt“. So ein Projekt „muss von allen gewollt werden“, sagt Kefer. Inzwischen arbeiten 400 Ingenieure im S-21-Büro.