Züblin (Stuttgart) und Porr (Österreich) liegen bei Ausschreibungen für Bahnhof und Tunnel vorn.

Stuttgart - Nach der Schlichtung drückt die Bahn bei Stuttgart21 aufs Tempo: Im Frühjahr 2011 sollen Großaufträge für den Tiefbahnhof, den Fildertunnel und Teile des Tunnelrings unter der City vergeben werden. Das Gesamtvolumen dürfte bei über einer Milliarde Euro liegen.

Volker Kefer hat die Deutsche Bahn AG während der Schlichtung zu Stuttgart21 vertreten. Der Vorstand für Technik und Infrastruktur hält die Schlichtung für sinnvoll und trägt die Ergebnisse mit. Trotzdem sieht der 54-jährige Manager - wie sein Chef Rüdiger Grube - keine Notwendigkeit für einen Baustopp. Im Gegenteil.

"Wir haben während der sechswöchigen Schlichtung keine neuen Aufträge für Stuttgart21 vergeben", betont Kefer. Allerdings könne man wieder "relativ schnell handlungsfähig" werden. Wer mehr erfahren will über die Ausschreibungen, beißt aber auf Granit. Auch die Baubranche schweigt eisern. Insofern sind alle Angaben zu diesem Thema, vor allem zu konkreten Summen, mit einer gewissen Unsicherheit belastet.

Die Österreicher liegen vorn

Im Frühjahr 2011 will die Bahn die Vergabeverfahren für zwei Großaufträge abschließen. Das erste Paket umfasst die beiden parallelen Röhren des Fildertunnels und des südlichen Tunnelrings nach Ober- und Untertürkheim. Insgesamt sind es 32,3 Kilometer; es ist der größte Teilauftrag von Stuttgart21. Nach Informationen unserer Zeitung liegt zurzeit ein österreichisch-schweizerisches Konsortium unter Führung der Porr AG (Wien) an erster Stelle; das Angebot soll sich im Bereich von 750 Millionen Euro bewegen. Die Konkurrenz, darunter ein deutsches Bauunternehmen, soll mit 900 Millionen Euro deutlich darüber liegen.

Das zweite Paket ist der Bau des künftigen Tiefbahnhofs mit einer rund 800 Meter langen, 80 Meter breiten und bis zu 15 Meter tiefen Baugrube; hinzukommen die Gleiszuläufe, das aufwendige Betonschalendach mit 28 Lichtaugen sowie mehrere komplizierte Kanalverlegungen. Nach Informationen unserer Zeitung liegt zurzeit die Stuttgarter Ed. Züblin AG im Vergabeverfahren in Front; das Angebot soll sich im Bereich von 360 Millionen Euro bewegen. Die Mitbewerber sollen bei 450 Millionen Euro liegen.

"Stuttgart 21 sichert Arbeitsplätze"

Fragen der Redaktion nach dem Stand der Dinge blockt Züblin ab. Der Umstand, dass Stuttgart21 durch einen Vorstand betreut wird, zeigt aber den Stellenwert des Projekts. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Michael Paul bestätigt immerhin, dass sich Züblin mit der Thematik befasst. Stuttgart21 sichere Arbeitsplätze in der Bauindustrie, man müsse schon deshalb dafür sein. "Das Know-how von Züblin lebt auch von solchen ingenieurtechnischen Herausforderungen", ergänzt Paul.

Bei der Porr AG bestätigt Pressesprecherin Gabriele Al-Wazzan, dass man sich um das Tunnelbau-Paket beworben hat. Bei einem Zuschlag will man auch Unternehmen aus dem Großraum Stuttgart beschäftigen. Darüber hinaus heißt es auch hier: Kein Kommentar. Das 1869 gegründete Unternehmen Porr hat rund 12000 Beschäftigte und machte im Vorjahr 2,9 Milliarden Euro Umsatz. Porr baut im In- und Ausland auch unter schwierigen geologischen Bedingungen Tunnel; in Deutschland ist man derzeit am Finnetunnel für die ICE-Neubautrasse Erfurt-Halle beteiligt. Auch die im Konsortium beteiligte Salzburger Firma G.Hinteregger&Söhne hat mit über 300 Kilometer Tunnelbauleistung seit 1970 weltweit Erfahrung.

Welche Seite trägt das Risiko?

Züblin wurde 1898 gegründet und gehört seit 2005 mehrheitlich der Strabag, einem der größten Baukonzerne Europas. Im Vorjahr hatte die Firma etwa 12000 Mitarbeiter und machte 2,5 Milliarden Euro Umsatz. Züblin baut weltweit Kraftwerke, Hochhäuser, Brücken oder Tunnel. In Stuttgart stehen die neuen Museen für Mercedes und Porsche auf der Referenzliste. Laufende Eisenbahntunnel-Projekte hat Züblin in Amsterdam, Hamburg oder Stuttgart (U15).

Die Bauarbeiten für Stuttgart21 werden nach europäischen Richtlinien im Verhandlungsverfahren vergeben. Seit dem Sommer verhandelt Projektchef Hany Azer mit jeweils mehreren Bietern für den Tiefbahnhof und die Tunnelstrecken auf die Filder und nach Ober-/Untertürkheim über Details des Auftrags, verschiedene Konzepte der Baufirmen und über den Preis. In den Augen der Bauwirtschaft gilt die Bahn generell als harter Auftraggeber, vor allem bei der Frage, welche Seite welches Risiko trägt.

Die Tunnel wurden im April ausgeschrieben, der Bahnhof im Juli. Der nördliche Tunnelring und die Zuführung Feuerbach sind Anfang Oktober - zehn Tage vor Beginn der Schlichtung - ausgeschrieben worden. Ende 2011 könnte der Großteil der Aufträge für das Milliardenprojekt vergeben sein.

2011 weiß die Bahn erstmals in groben Zügen, ob ihr kalkulierter Kostenrahmen von 4,1 Milliarden Euro realistisch ist. Hinzu kommen Mehrkosten durch Nachbesserungen aus der Schlichtung. Falls Stuttgart21 nicht realisiert würde, können die bereits beauftragten Baufirmen Schadenersatz für angelaufene Kosten fordern - nicht aber für den entgangenen Umsatz oder gar Gewinn.