Die Schweizer Gutachter-Firma sma braucht für diee Bewertung des Stresstest zu Stuttgart 21 länger als vorgesehen. Foto: Piechowski

Wegen der verschobenen Bewertung des Stresstests vergibt die Bahn ihre Bauaufträge Ende Juli.

Stuttgart - Für die Debatte um den Stresstest zum Bahnprojekt Stuttgart 21 gilt ein neuer Zeitplan. Die Schweizer Gutachter der Firma sma schließen ihre Bewertung zur Leistungsfähigkeit des neuen Durchgangsbahnhofs erst am 21. und nicht am 12. Juli ab. Die Bahn wird ihre Auftragsvergaben bis Ende Juli verzögern.

Knapp drei Stunden moderierte der Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler am Freitag zwischen Bahn, Land, den Befürwortern des Tiefbahnhof-Konzepts und dem Aktionsbündnis der Gegner.

Als der 81-Jährige um 11.30 Uhr im Rathaus vor die Mikrofone trat, gab es eine Überraschung: Die Bahn, sagte Geißler, werde nicht, wie mehrfach angekündigt, am 15. Juli Bauaufträge vergeben. Das werde "erst nach der öffentlichen Präsentation des Bahnhofs-Gutachtens geschehen".

Nichtöffentliche Informationsveranstaltung mit allen Parteien

Bis Freitag hatte Bahn-Chef Rüdiger Grube jedes Entgegenkommen abgelehnt. Wenn am 15. Juli keine Bauverträge unterschrieben würden, müsse die Bahn ihre europäischen Ausschreibungen komplett wiederholen. Sie verliere damit 18 Monate. Das hatte Grube am 6. Juni im Interview mit unserer Zeitung gesagt. Nun gelten plötzlich andere Zeitpläne.

Ist die Verschiebung ein Etappensieg für die Gegner? Mitnichten. Der neue Fahrplan sei nicht dem Aktionsbündnis geschuldet, so Geißler. "Die Verzögerung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Firma sma ihr Testat erst am 21. Juli abgeben kann", erläutert der frühere CDU-Generalsekretär. Die Firma sei die "bahntechnisch versierteste Institution in Europa", von allen anerkannt. Sie solle die nötige Zeit erhalten.

Am 19. Juli will Geißler nochmals in eine nichtöffentliche Informationsveranstaltung mit allen Parteien und den Gutachtern gehen. Ende Juli sollen sich die Streitparteien dann zum öffentlichen Schlagabtausch treffen. Einen genauen Termin gibt es nicht.

Gegner sehen Verschiebung als Teilerfolg

Am Nachmittag wertet das Aktionsbündnis der Gegner die Verschiebung zwar als einen "Teilerfolg", Sprecherin Brigitte Dahlbender ist allerdings bewusst, dass die Gegner kaum Zeit gewonnen haben. Wenn das Testat am 21. Juli überreicht wird, bleiben ihnen bis Monatsende zehn Tage zur Vorbereitung der öffentlichen Debatte. Dahlbender hat zuletzt wenigstens drei Wochen Vorbereitungszeit für ihr Bündnis reklamiert. Dabei bleibt sie: "Wir können uns nicht vorstellen, uns ein paar Tage nach der Übergabe der Dokumente an einer öffentlichen Debatte zu beteiligen", sagt Dahlbender.

Ob das Aktionsbündnis letztlich an der öffentlichen Stresstest-Debatte teilnimmt, lässt Dahlbender weiter offen. Sie sieht die Bahn unter Druck. Dass die Verschiebung nun "ohne millionenschwere Verluste und massive Bauzeitverzögerung" machbar sei, müsse zu denken geben. Die Bahn gerate nach dem jüngsten Kostenvertuschungsskandal jetzt "noch mehr in eine Glaubwürdigkeitskrise".

Dem Eindruck, dass sein Vorgesetzter Rüdiger Grube eingeknickt ist oder sich mit dem zwingenden Vergabetermin 15. Juli (Grube: "Kein Spielraum mehr") Fakten zurechtgebogen hat, versucht Bahn-Technikvorstand Volker Kefer am Nachmittag in einer Telefonkonferenz gegenüber den Medien zu begegnen.

31. Juli der "spätmöglichste Termin"

"Wir halten an unserem Fahrplan fest", beteuert Kefer. Der 15. Juli diene der "Vergabeklarheit". Den unterlegenen Bietern für den Fildertunnel und die Röhren nach Ober- und Untertürkheim werde an diesem Tag abgesagt. Damit laufe für sie die zweiwöchige Einspruchsfrist. Am 31.Juli werde die Bahn Rohbauaufträge im Wert von 700 bis 750 Millionen Euro "final vergeben". Das sei der "spätmöglichste Termin", sagt Kefer. "Ich bin nicht sma, ich gehe davon aus, dass der 21. Juli gehalten wird, das ist ein ziemlich harter Termin", schränkt er ein.

Theoretisch könnten die Aufträge sogar wieder kassiert werden. Sollte der von der grün-roten Landesregierung geplante Volksentscheid den auf 4,1 Milliarden Euro veranschlagten Bahnhofs- und Streckenbau tatsächlich gefährden, "fallen nicht die vollen Baukosten an", sagt Kefer.

Tatsächlich bauen werde die Bahn erst dann, wenn alle Tunnelaufträge und der für den Tiefbahnhofs unterschrieben sind. "Dann definieren wir den Beginn der Grundwasserhaltung", so Kefer. Bestimmen wird den allerdings nicht die Bahn, sondern die Aufsichtsbehörde Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Beim EBA hat die Bahn die Doppelte der bisher erlaubten Wassermenge abzupumpen beantragt. Auch soll das Tunnelbauverfahren geändert werden. Die nötigen Freigaben dazu fehlen noch.