Die Bahn will im Juni für ihr Projekt Stuttgart 21 den Tunnelbau nach Feuerbach beginnen. Der Start erfolgt mit einer Grube an der Jägerstraße, dann soll das alte Bürohaus der Industrie- und Handelskammer unterquert werden. Doch nun stehen die Zeichen für den Altbau auf Abriss.
Die Bahn will im Juni für ihr Projekt Stuttgart 21 den Tunnelbau nach Feuerbach beginnen. Der Start erfolgt mit einer Grube an der Jägerstraße, dann soll das alte Bürohaus der Industrie- und Handelskammer unterquert werden. Doch nun stehen die Zeichen für den Altbau auf Abriss.
Stuttgart - Die rund 30 Kilometer Tunnelstrecke bei Stuttgart 21 führen im Stadtgebiet vielfach zu Betroffenheit. Auch bei der Industrie- und Handelskammer. Sie sieht sich mit einem Angebot der Bahn zu Kauf und Abriss ihres Hauses konfrontiert.
Die Sicherungsmaßnahmen des Schienenkonzerns für den Tunnelbau unter bewohntem Gebiet sind teils aufwendig. Unter dem Haus der Landeswasserversorgung (LW) an der Schützenstraße wurde zum Beispiel über eine Art Lanzen der Untergrund vor den Grabungsarbeiten mit Beton verfestigt. Dennoch gibt es Senkungen. Bei der IHK auf der gegenüberliegenden Talseite hat die Bahn in Sachen Sicherheit deutlich aufgerüstet. Gleich drei übereinanderliegende Pakete sogenannter Rohrschirme, die Beton mit Druck unter das Haus pressen, waren am Kriegsberg vorgesehen. So soll ein Absacken des im IHK-Jargon R-Bau (weil er rechts vom Neubau steht) genannten Gebäudes verhindert werden. Auch im Innern soll es Sicherungsmaßnahmen geben.
Bei dem früher unter Denkmalschutz stehenden Haus wird nur die hintere rechte Ecke untergraben. Das aber ist besonders problematisch. Eine Setzung an nur einer Ecke belastet die Statik stärker als ein gleichmäßiges Absacken des gesamten Gebäudes. Nun will die Bahn nicht mehr sichern, sondern lieber kaufen und abreißen.
Die Frage sei, „wie sinnvoll der technisch aufwendige Erhalt des Gebäudes ist“, sagt eine Sprecherin des S-21-Kommunikationsbüros. Schließlich ziehe die IHK im Juni 2014 in ihren Neubau um, der Altbau stehe dann leer. Deshalb werde die Alternative Abriss statt Abstützen vorgeschlagen.
Ein Jahr Verzug kostet 100 Millionen Euro
Tatsächlich versammelt die IHK 250 über das Stadtgebiet verteilte Beschäftigten ab Juni in dem vom Stuttgarter Büro Wulf Architekten entworfenen, 39,5 Millionen Euro teuren Neubau. Der Altbau rechts daneben mit 4758 Quadratmeter Grundfläche würde zunächst leer stehen. Er solle aber, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter, langfristig vermietet werden. Denn die Bahn habe bereits 2004 vertraglich zugesichert, „dass während unten gegraben wird, oben ganz normal gearbeitet werden kann“. Die Mineure sollten den Tunnel nämlich „außerhalb der normalen Dienstzeiten graben“. Schallschutzfenster und Erschütterungsschutz im späteren Bahntunnel wurden überdies ausgehandelt.
Zwischen 3,2 und 3,8 Millionen Euro soll die Bahn für Kauf und Abriss der alten IHK-Zentrale geboten haben. Über die exakte Zahl schweigen sich Richter und der Schienenkonzern aus. Den Mitgliedern der IHK-Vollversammlung war die von ihrem Präsidenten Georg Fichtner vorgetragene Offerte jedenfalls zu mager. Sie kam übrigens so spät, aber drängend, dass das Thema nicht mehr auf die Tagesordnung der jüngsten Sitzung fand. Fichtner habe immerhin auf eine Wirtschaftlichkeitsrechnung verwiesen, die der IHK trotz eines Modernisierungsaufwands unter dem Strich fünf Millionen Euro durch die Vermietung verspreche. „Die Frage des Präsidenten war eindeutig, ob man das Haus so günstig abgeben solle“, erinnert sich ein Teilnehmer.
Es sei schwierig, sich „preislich zu verständigen“, räumt Richter ein, weil ein aktueller Bebauungsplan fehle und nicht klar sei, wie der fertige Tunnel die späteren Neubaumöglichkeiten der Kammer auf ihrem Grundstück einschränke. Die Bahn habe da ein Mitspracherecht. Für die IHK dürfe kein Vermögensverlust eintreten. Man sei „in entspannter Erwartung, was vonseiten der Bahn noch kommt“, bilanziert Richter.
Dass noch etwas kommt, ist wahrscheinlich. Über den Kauf gebe es Gespräche, sagt eine S-21-Sprecherin. Man gehe davon aus, „dass hierzu zeitnah eine Entscheidung fallen wird“. Folgt ein nachgebessertes Angebot? Immerhin steht der Konzern mit seinem Tiefbahnhof erheblich unter Zeitdruck. Ein Jahr Verzug würde laut Infrastrukturvorstand Volker Kefer 100 Millionen Euro kosten. Für den Feuerbacher Tunnel stehen die Baufirmen Baresel, Kunz und Walo bereit. Man erwarte zeitnah eine Entscheidung, heißt es bei der Bahn. „Wenn nicht, werden die ursprünglichen Planungen umgesetzt.“ Dann muss der Tunnel zwei Meter unter dem Fundament des Altbaus durch.