Grobe Skizze und nicht maßstabsgetreu: So kündigt die Bahn die geplante zehn Meter hohe Lärmschutzwand in der Sängerstraße am Rand des Kernerviertels an Foto: Deutsche Bahn AG

An drei Baustellen in der Innenstadt muss die Bahn den Lärmschutz eilends und drastisch verbessern. Sie baut aufwendige Lärmschutzwände. Außerdem sollen Baumaschinen beim Rückwärtsfahren jetzt „krächzen“ und nicht mehr eindringlich piepsen.

Stuttgart - Die Vorbereitungen für den Bau laufen schon. Drei bis vier Jahre lang soll an der Sängerstraße eine zehn Meter hohe Lärmschutzwand stehen. Sie wird auf einer Seite die Baugrube 25 für den Bahnhofstrog abriegeln und sie wird an einen Lärmschutzriegel aus leer stehenden Gebäuden auf zwei anderen Seiten der Baugrube anschließen. Aber das ist nicht die einzige Baustelle, an der die Bahn schnell reagieren muss, weil sie den Lärm, der auf angrenzende Wohngebiete ausstrahlt, trotz Ausbreitungsberechnungen falsch eingeschätzt hatte. Daher, räumten Bahn-Vertreter am Dienstag im Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik ein, habe man Anwohner auch falsch über den zu erwartenden Lärm und mögliche Schutzmaßnahmen informiert.

Beim Portal des Wagenburgtunnels, wo die Rettungszufahrt Hauptbahnhof Süd entsteht, wird auch eine Lärmschutzwand gebaut. Allerdings liegend: als Dach mit Seitenwänden vor der Tunnelbaustelle, zwischen dem Autotunnel und der früheren Neckarrealschule. Diese „Einhausung“, nur zum Gebhard-Müller-Platz offen, soll die Ausbreitung des Lärms den Hang hinauf beschränken. Wie die Wand an der Sängerstraße soll sie im vierten Quartal fertig werden.

Handeln muss die Bahn in der Nähe des Wartbergsees. Dort läuft der Bau der Tunnelröhren von und nach Feuerbach an. Anwohner hätten wegen der Lärmsituation nun doch Anspruch auf passiven Schallschutz an ihren Gebäuden, sagte der für die Bahn tätige Rechtsanwalt Peter Schütz. Nun will man den Aushub nachts nicht mehr in Richtung Baulogistikzentrum abtransportieren, sondern nur tagsüber. Zunächst auch mit Lkw. Erst vom Logistikzentrum wird der Aushub mit Waggons aus der Stadt geschafft. Betonmischer würden nachts in den Tunnelröhren nass gereinigt, nicht draußen. Bis September will die Bahn ein neues Konzept haben. So wie jetzt „können wir auf Dauer den Feuerbacher Tunnel nicht bauen“, räumte Florian Bitzer von der Bahn ein.

Piepston beim Rückwärtsfahren zu aufdringlich

Auf dieser Baustelle bemüht man sich auch um weniger laute Fahrzeuge und Geräte. Aus Sicherheitsgründen muss es beim Rückwärtsfahren zwar auch künftig akustische Signale geben. Die Geräte sollen aber nicht mehr aufdringlich piepsen, sondern angenehmer krächzen. Manchmal, sagte Bitzer, sei die Betriebserlaubnis der Geräte aber an den Piepston gebunden.

Drinnen in der Innenstadt kommen die Bauarbeiten in der Grube 25 bald an einen wichtigen Punkt. In etwa sechs Wochen soll das Ausheben der Erde beginnen. Bis dahin werden Bohrpfähle, die eine sichere Gründung des Tiefbahnhofstrogs erlauben, in tragfähige Erdschichten getrieben. Einige Betonpfähle werden aber in die Erde gerammt. Das hat Vorteile bei schwierigen geologischen Verhältnissen, weil die umgebende Erde eher verdichtet als gelockert wird. Auch beim Baufeld 25 ist ein unterirdischer Hohlraum Grund für das Verfahren.

Die Anwohnerinitiative Netzwerk Kernerviertel befürchtet noch mehr Lärm und vor allem Erschütterungen. Durch die Baugenehmigung sei das zunächst nicht vorgesehene Rammverfahren nicht abgedeckt, meint das Netzwerk, das seine Bedenken von der Bahn und der Genehmigungsbehörde Eisenbahn-Bundesamt aber ignoriert sieht.

Für Zündstoff sorgt eine Untersuchung von 2013, in der es um Erschütterungen durch Rammarbeiten geht. Darin werden für Gebäude in der Sängerstraße und an der Willy-Brandt-Straße stark spürbare Erschütterungen durch Arbeiten sogar in 75 bis 120 Meter Entfernung vorhergesagt – mit Folgen bis zum Absturz von Computersystemen. Dabei habe man damals noch angenommen, so das Netzwerk, dass im Baufeld 25 keine Rammarbeiten stattfinden. Bitzer bestätigte, dass die Untersuchung bisher nicht im Internet veröffentlicht wurde. Die Bahn habe aber erst nach 2013 angekündigt, derartige Unterlagen ins Netz zu stellen. Man reiche sie nach. Autor ist der Bahn-Immissionsschutzexperte Peter Fritz.

Bitzer beteuerte, die Bahn wolle Belästigungen von Anwohnern in erträglichen Grenzen halten. Früher habe man den Bau und die Verankerung der Lärmschutzwand an der Sängerstraße technisch für unmöglich gehalten. Ingenieure einer Baufirma hätten eine Lösung gefunden. Die Wand und das Dach beim Portal des Wagenburgtunnels dürften knapp zwei Millionen Euro kosten, sagte ein Sprecher des Bahnprojektes.

Die Resonanz im Ausschuss war überwiegend positiv. Die Lärmschutzwand sei optisch keine Bereicherung, aber eine Verbesserung und nur temporär notwendig, sagte Alexander Kotz (CDU). Ohne Lärm könne man einen Bahnhof im Zentrum halt nicht bauen. Gabriele Munk (Grüne) sagte, es sei gut, dass die Lärmschutzwand gebaut werde. Dies sei ein Erfolg der Initiative im Kernerviertel. Leider müssten Betroffene immer erst mächtig für Verbesserungen kämpfen.

Gangolf Stocker (SÖS) warnte, die Wand leite Lärm geradezu weiter in Richtung Urbanstraße. Der Deckel über der Baustelle beim Wagenburgtunnel aber sei „gut“.