Die Tunnelbaustelle der Bahn liegt nur einen Steinwurf von der Autobahn. Auf eine lange gewünschte Abfahrt von dieser verzichtet die Bahn nun aber Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Rund 400 000 Lastwagenfahrten sind nötig, um die beiden je 9468 Meter langen Röhren des Fildertunnels zwischen Echterdinger Ei und dem Tiefbahnhof in der Stadtmitte zu bauen. Jeder Lkw muss durch das Büro- und Gewerbegebiet Fasanenhof-Ost rollen. Mit einem Bypass, einer eigenen Abfahrt von der A 8, sollte der Stadtteil entlastet werden. Daraus wird nun nichts.

Stuttgart - Rund 400 000 Lastwagenfahrten sind nötig, um die beiden je 9468 Meter langen Röhren des Fildertunnels zwischen Echterdinger Ei und dem Tiefbahnhof in der Stadtmitte zu bauen. Jeder Lkw muss durch das Büro- und Gewerbegebiet Fasanenhof-Ost rollen. Mit einem Bypass, einer eigenen Abfahrt von der A 8, sollte der Stadtteil entlastet werden. Daraus wird nun nichts.

Die Bahn wollte bei der Genehmigung für die Autobahnabfahrt eine Abkürzung nehmen. Sie hatte ein „einfaches Verfahren beim Regierungspräsidium Stuttgart“ vorgeschlagen. Die Stadt Stuttgart sei dazu aber nicht bereit und habe ein Planänderungsverfahren beim Eisenbahn-Bundesamt (Eba) angeregt. „Unter diesen Voraussetzungen (u.a. wegen des Faktors Zeit) wird die Bahn – Stand jetzt – den separaten Anschluss nicht weiter verfolgen“, teilte das Stuttgart-21-Sprecherbüro den Stuttgarter NAchrichten am Donnerstag mit.

Bahn will Teil der Verantwortung abschieben

Aus der Stellungnahme spricht Verärgerung. Sie weist, wie öfter, wenn bei Stuttgart 21 Zeitpläne und Kosten ins Rutschen kommen, die Verantwortung dafür auch anderen Beteiligten zu. Dabei hat allein die Bahn die aus Sicht der Baufirmen sehr enge Baustelle und den Versorgungs- und Abfuhrweg geplant. Vor mehr als einem halben Jahr sah der Schienenkonzern dann bessere Möglichkeiten. Änderungen genehmigter Planungen für andere Bauabschnitte des Projekts Stuttgart 21 hat er beim Eba bereits zuhauf eingereicht.

Man habe nichts gegen die Baustraßenausfahrt von der A 8, heißt es bei der Stadt, im Gegenteil, „wir wollen nichts blockieren und wären froh darüber, wenn wir das Gewerbegebiet Schelmenwasen entlasten könnten, aber wir können das nicht genehmigen, das ist die Aufgabe des Eisenbahn-Bundesamtes und weiterer Beteiligter“, sagt Stuttgarts Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD). Man wisse „selbstverständlich um die Verantwortlichkeiten Beteiligter, die notwendigerweise einzubinden sind“, heißt es bei der Bahn. Deshalb schlage man das einfache Verfahren beim RP vor. Bei einer „unwesentlichen Änderung“ wäre man selbst und nicht das Bonner Eba zuständig, bestätigt das Regierungspräsidium.

Die Frage ist, was neben dem von der Bahn vorgebrachten Faktor Zeit jetzt gegen die Planung einer A-8-Abfahrt spricht. Der Faktor Zeit schlägt vielleicht sogar weniger zu Buche als andere Faktoren, denn der Rohbau des Fildertunnels läuft laut Plan bis mindestens ins zweite Quartal 2019, also noch vier Jahre – wenn er denn optimal läuft.

Zu Buche schlägt sicher, dass die Abfahrt nicht direkt von der A 8 auf die Baustelle führen kann. Dann läge sie nämlich auf einer Fläche, auf der die Bahn in ihrem noch umstrittenen Flughafen-Abschnitt die ICE-Trasse nach Ulm platzieren will. Eine Baugenehmigung für zwei unterschiedliche Nutzungen, Baustellenabfahrt und ICE-Trasse, auf derselben Fläche ist aber rechtlich nicht möglich.

Das RP favorisiert dem Vernehmen nach eine Abfahrt von der Verbindungsspur der A 8 zur B 27. Die Lkw müssten dann aber eine 180-Grad-Kehre fahren, um zum Portal des Fildertunnels zu gelangen. Auf dem Weg sollen Eidechsen-Habitate liegen.

Insgesamt wird es für den Bau des Fildertunnels mindestens 300 000 Lastwagenfahrten (leer und beladen) geben. Der Ausbruch der Tunnelbohrmaschine wird auf bis zu 15 verschiedene Deponien gebracht. Eine sehr große liegt an der A 81 bei Oberndorf, auch in Richtung Karlsruhe soll abgefahren werden. Die A-8-Abfahrt würde für diese Fälle nichts bringen. Sie wäre nutzlos.

Rund 42 000 Lkw-Fahrten, wieder beladen und leer, sind nötig, um Betonrohstoffe zum Mischwerk am Fildertunnel-Portal an der A 8 zu bringen. Immerhin die Hälfte könnte über eine extra Baustellenausfahrt führen – vorausgesetzt, alle Rohstoffe kämen aus Richtung Ulm.

Weitere rund 50 000 Lkw-Fahrten sind nötig, um die Tübbinge, die Beton-Fertigteile für den Tunnel, auf die Baustelle zu bringen. Sie kommen über die A 8. Die spezielle Baustellenausfahrt könnte also von den mit Fertigteilen beladenen Lkw genutzt werden. In der Summe, Betonmischwerk und Tübbinge, können 46 000 Fahrten über den Schelmenwasen vermieden werden.

Wäre der Nutzen für die Bahn bei 46 000 von rund 400 000 Fahrten groß genug? Der Konzern hat alle Bauarbeiten mit dem genehmigten Weg durch das Gewerbegebiet ausgeschrieben. Nur wenn die Bahn mit ihren Auftragnehmern neu verhandelt, könnte sie von den eingesparten Kilometern der Fuhrunternehmer finanziell profitieren.

Wissen, was wichtig ist – abonnieren Sie hier den StN-Newsletter