Brandschutz- und Entrauchungskonzept des Tiefbahnhofs stehen in der Kritik. Der Bauherr Bahn verspricht, die Schwierigkeiten zu lösen. Foto: Visualisierung: Aldinger und Wolf

Die Deutsche Bahn will bei ihrem Projekt Stuttgart 21 den Brandschutz im Tiefbahnhof mit Sprinkleranlagen verbessern. Der Konzern geht auf Distanz zu einem Gutachter, der die Rettungszeiten bei Feuer in der Station als deutlich zu lang bemängelt.

Stuttgart - Die Schweizer Gruner AG hatte am 24. September auf sieben Seiten massive Kritik am Rettungskonzept für den Tiefbahnhof geübt. Die Ingenieure aus Basel sehen schwere Mängel beim Brandschutz. Bei Evakuierungszeiten von bis zu 23 Minuten „muss die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit eines Brandschutzkonzeptes angezweifelt werden“, so die Sicherheitsingenieure. Trotz zusätzlicher Treppenhäuser, von deren Planung die Bahn am Dienstag bei einer Pressekonferenz bereits wieder abrückte, „ist daher kaum davon auszugehen, dass gesundheitsgefährdende Dichten und Drücke bei einer Evakuierung des Hauptbahnhofs ausgeschlossen werden können“, heißt es weiter.

Die Gruner AG war von der Bahn selbst damit beauftragt worden, die rund 200 Seiten starke Brandschutzkonzeption der Bahn kritisch zu durchleuchten. Die Veröffentlichung der Gruner-Expertise habe zu „Irritationen“ geführt, sagte Sven Hantel am Dienstag. Hantel ist für die 671 Personenbahnhöfe im Land zuständig und beim Projekt Stuttgart 21 Koordinator für den Brandschutz. Gruner habe ein Konzept bewertet, in dem „alle Gesetze, alle Regelwerke der Bahn und alle Vorgaben des Eisenbahn-Bundesamtes berücksichtigt worden sind“. Die Gruner AG hebe in ihren Berechnungen aber auch noch auf die Versammlungsstättenverordnung ab, die zum Beispiel in Sportarenen gelte. Hantel: „Sie gilt aber nicht für Bahnhöfe.“ Die Bahn bewege sich mit ihrer Planung daher „innerhalb des deutschen Rechts“. Was von den Empfehlungen Gruners übernommen werde, sei „nicht klar“, so Hantel.

„Wir wollen die Versammlungsstättenverordnung nicht weiter verfolgen“, sagte Marc Willich, Bahn-Fachmann für Brandschutz. Zwar plane die Bahn aktuell mit acht zusätzlichen, voll verglasten Fluchttreppenhäusern – zwei auf jedem Bahnsteig –, Ziel sei aber, mit einer kostengünstigeren Lösung die gleiche Sicherheit herzustellen und damit allen Vorgaben zu genügen.

Wasser wird fein zerstäubt

Als favorisierte Alternative zu den Treppenhäusern untersucht die Bahn eine neue Art von Sprinkleranlagen, die Wassers fein zerstäubt. Ein brennender Zug würde von beiden Seiten von unten in einen Sprühnebel gehüllt, um Brand und Rauch einzugrenzen. Für die Reisenden verkürzt sich damit zwar nicht Wege und die Rettungszeit, sie könnten sich aber länger in sicheren Bereichen bewegen. Ob sich das Verfahren eignet und es das Eisenbahn-Bundesamt zulässt, soll bis Mitte/Ende 2013 durch Uni-Gutachten und Versuche geklärt sein. Man habe acht Jahre Zeit für den Bau, Verzögerungen seien durch die Untersuchung nicht zu erwarten, sagt Stuttgart-21-Sprecher Wolfgang Dietrich. Hantel nennt den Zeitplan „ambitioniert“.

Stuttgarter Feuerwehr, Gutachter, Bahn und Regierungspräsidium würden das Brandschutzgutachten und die Gruner-Expertise nun diskutieren, sagt Hantel. 18 von 31 Punkten, die die Feuerwehr gefordert habe und die zum Teil aus der Stuttgart-21-Schlichtung mit Heiner Geißler stammten, habe die Bahn erfüllt. Auch diese Forderungen gingen über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, betont Dietrich das Einlenken der Bahn. Die neue Verkehrsanlage sei in jedem Fall sicher, so Willich. Das Betondach mit seinen gläsernen Lichtöffnungen verkrafte dank starker Betonbewehrung einen bis zu zweistündigen Großbrand. Die von Gruner angemahnten Ventilatoren in den Lichtöffnungen seien nicht vorgesehen.

Bahn hat aus Sicherheitsgründen alle vertikalen Scheiben aus dem alten Dach ausgebaut

Die drei Experten äußerten sich am Dienstag auch zur Statik des Hallendaches im alten Bahnhof. Nach dem Abriss von Nord- und Südflügel gilt ein Notfallplan, weil das Dach Windkräften nahezu ungeschützt ausgesetzt ist. Bei Windstärke acht muss über die Sperrung der Bahnsteige entschieden werden. Das bedeute nicht, dass das Dach unsicher sei, beruhigte Hantel: „Es ist standsicher, wir gehen nicht leichtfertig mit der Sicherheit unserer Kunden um.“

Die Bahn hat vor Wochen aus Sicherheitsgründen alle vertikalen Scheiben aus dem alten Dach ausgebaut. Entlang von Geis acht würden alle 15 Dachstützen verstärkt, so Hantel. Sobald diese Arbeit abgeschlossen sei, könne der Evakuierungsplan aufgehoben werden. Auf die Frage, warum die Stützen nicht schon vor dem Abriss des Südflügels verstärkt worden seien, sagte Dietrich, die Bauabfolge sei eine Entscheidung der Ingenieure, die Stützen hätten zuvor nicht verstärkt werden können. Glasausbau und Abstützung seien aber von Anfang an geplant gewesen. Anfang 2013 soll die Hälfte des Daches abgerissen werden, um Platz für die Baugrube des Tiefbahnhofs zu schaffen.