Beim Bau ihres neuen Bahnhofs darf die Bahn Fundamente nicht bis in tiefliegende Grundgipsschichten treiben. Das Verbot wollte der Konzern aufweichen, weil der Untergrund im Schlossgarten teils wenig tragfähig ist.
Stuttgart - Der Schutz des im Stuttgarter Untergrund sprudelnden Mineralwassers gehört zu den zentralen Bestandteilen der bereits 2005 erteilten Baugenehmigung für den neuen, achtgleisigen Durchgangsbahnhof. Nach der von der Stuttgarter Züblin AG gewonnenen Ausschreibung für den Rohbau haben Bohrungen im Schlossgarten und entlang der Willy-Brandt-Straße die Experten zur Änderung der Stuttgart-21-Pläne veranlasst. Ursache ist der teils wenig tragfähige Untergrund.
Im Talkessel finden sich laut einem Bericht der Bahn „nur gering tragfähige bindige Talablagerungen, durchsetzt mit organischen Bestandteilen und torfigen Einlagerungen“. Am Südkopf des Bahnhofs, zur Willy-Brandt-Straße hin, ergäben sich teils „sehr große Setzungen“. Dort trafen die Bohrer auch auf eine rund 40 Meter tiefe, mit Talablagerungen gefüllte Doline. Deren Ausdehnung im Bahnhofs-Grundriss ist unbekannt, die Experten schätzen „etwa zehn mal zehn Meter“.
Unter der neuen Stadtbahn-Haltestelle Staatsgalerie, die beim Planetarium nach oben und näher an den Schlossgarten rücken wird, kommt eine einfache Beton-Bodenplatte nicht infrage. Sie würde „zu unverträglich großen Setzungen von fünf bis zwölf Zentimetern führen“.
Das Parkgelände muss an den teils aus der Erde ragenden Bahnhof angepasst werden
Auch große Abwasserkanäle aus dem Stuttgarter Westen und der Nesenbach-Kanal müssen für den Tiefbahnhof verlegt werden. Dazu werden Düker (Unterführungen) unter den Bahnhof gebaut, die im Schlossgarten wieder auftauchen. Dort gibt es Probleme. Das Parkgelände muss an den teils aus der Erde ragenden Bahnhof angepasst werden. Das bedeutet Aufschüttungen bis zu sechs Metern und dadurch „nach circa vier Jahren zu erwartende Setzungen von bis zu 25 Zentimetern“ für die Kanäle. Sie sollen über eine „vertikal verschiebbare Konstruktion“ aufgefangen werden.
In allen Fällen plant die Bahn bei ihrer jüngsten Änderung zur Stabilisierung der Bauwerke mit 300 zusätzlichen Beton-Bohrpfählen. Sie könnten aber zum Beispiel unter der Stadtbahn-Haltestelle bis zu sechs, beim Bahnhof im Schlossgarten bis zu einen Meter tief in die Grundgipsschichten ragen. Diese Dichtschicht verhindert ein Aufsteigen des Mineralwassers. Sie anzubohren hat die Genehmigungsbehörde Eisenbahn-Bundesamt (Eba) untersagt. Die Stadt pocht auf den Erhalt des Verbot, die Grünen-Stadträte im Gemeinderatsausschuss für Technik sorgten, weil kaum lesbare Pläne vorlagen, am Dienstag für eine Vertagung des Themas.
Wie dann in den kritischen Bereichen gebaut werden soll, müssten Experten allerdings noch klären
Die Stadtverwaltung hatte schon zuvor keinerlei Einlenken signalisiert. Ende August verlangte sie von der Bahn, dass ein Sachverständiger für Geotechnik Gründungsvarianten aufzeige, „die ohne Eingriff in die Grundgipsschichten auskommen“. An einem Teil des Nesenbach-Dükers und wenn die Bahn beim Inselbad in Untertürkheim denn Neckar unterquere, grabe sie die Dichtschicht mit Erlaubnis des Eba bereits an, sagt Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD). Im Talkessel sei es „machbar, anders zu bauen“, signalisiert Hahn, dass es kein Entgegenkommen geben werde. „Wir haben das im Griff“, so der Bürgermeister.
Auf das Nein der Stadt hat die Bahn diese Woche reagiert. Man habe bereits am Montag, also einen Tag vor der Ausschusssitzung, einen Brief auf den Weg gebracht, in dem Alternativen aufgezeigt und der Verzicht auf die umstrittene, tiefergehende Gründung erklärt werde, sagt S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Wie dann in den kritischen Bereichen gebaut werden soll, müssten Experten allerdings noch klären.
In dem Brief drängt die Bahn das Eisenbahn-Bundesamt auf eine rasche Freigabe der geänderten Pläne. Man stimme den von der Stadt verlangten Regelungen zu, um das Verfahren nicht zu verzögern, teilt die Bahn mit. Das Unternehmen lässt erheblichen Zeitdruck bei Stuttgart 21 erkennen. Die Prüfbehörde solle dem Änderungsverfahren einen zügigen Fortgang geben, heißt es.