Die Eidechse liebt sonnige Plätze mit Rückzugsmöglichkeiten Foto: Manfred Danegger / Okapia

Die Umsiedlung von 106 Zauneidechsen von den Stuttgart-21-Baustellen nach Steinheim an der Murr lässt der Bahn keine Ruhe. Nach dem schlechten Ergebnis der Zählung 2014, bei der nur zwei Tiere gefunden wurden, sollen es jetzt 50 sein. Zwischen den Zahlen steht eine fragwürdige Hochrechnung.

Stuttgart - Die Umsiedlung von Zauneidechsen von Stuttgart nach Steinheim an der Murr im August und September 2013 „ist erfolgreich“, titelte das Stuttgart-21-Kommunikationsbüro am Mittwoch in einer Pressemitteilung. Fett gedruckt heißt es weiter: „Aktueller Bestand von rund 50 erwachsenen Tieren festgestellt.“ Die Bahn widerspreche damit „entschieden“ Darstellungen, nach denen die Umsiedlung als gescheiterte erklärt worden sei. Die Stuttgarter Nachrichten hatten berichtet, dass die Bahn ihre Echsen nicht mehr finde. Inzwischen forscht ein Fernsehteam nach den Kriechtieren.

 

Eine Woche vor ihrer jetzigen Erfolgsmeldung hatte die Bahn auf Anfrage eingeräumt, dass bei insgesamt sechs Begehungen auf dem alten Steinheimer Burgberg 2014 „nicht mehr die ursprüngliche Anzahl an umgesiedelten Tieren festgestellt wurde“. Bei der Nennung der genauen Zahl hielt sich das S-21-Büro vornehm zurück.

Der Bericht des Büros GÖG (Gruppe für ökologische Gutachten) aus Stuttgart vermittelt weniger Schonung. Man habe von den 106 am alten Weinberg noch genau zwei erwachsene Eidechsen gefunden, nämlich „ein Männchen, das sich an dem Wall zwischen den beiden Steinbrüchen auf der südwestlichen Seite aufhielt, sowie ein weibliches Tier im Steinbuchbereich“.

Neben der Arche-Noah-Mindestzahl gab es ansonsten keine Echsen, aber ein Schlingnatter „beim Aufwärmen in der Sonne“. Die ist natürlicher Fressfeind der Eidechse. Angesichts des Ergebnisses verkniffen sich die Gutachter eine Aussage über den „Maßnahmenerfolg“. Zwei Echsen ließen keine qualifizierte Bewertung zu. Verzichtet wurde damit auch auf die Anwendung des im Gutachten genannten Hochrechnungsfaktors von sechs, der „im Folgenden zu Grunde gelegt“ werden sollte. Aus zwei plus zehn versteckten wären so zwölf Echsen geworden.

Weil GÖG, die im Auftrag des Eisenbahn-Bundesamtes (Eba) für fünf Jahre ein Auge auf die geschützte Tierart hat, von einem „suboptimalen neuen Lebensraum“ und schlampiger Pflege (das Gras stand 1,50 Meter hoch) sprach, trafen sich am Mittwoch Verantwortliche zum Ortstermin. Dann folgte die Erfolgsmeldung der Bahn mit 50 erwachsenen Tieren. Gerechnet worden sei mit einem „anerkannten Korrekturfaktor“. Aber mit welchem?

Der Faktor liege zwischen sechs und zwanzig, teilte die Bahn auf Anfrage mit, „derzeit“ werde mit zehn gerechnet. Für Gerhard Pfeifer, den Regionalgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (Bund) ist diese Arithmetik ein Ärgernis. Bei der Erfassung der Echsenpopulation vor der Umsiedlung sei am Pragtunnel mit dem Faktor 2,5, in Feuerbach mit 3,0 gerechnet worden. Und nun mit zehn? „Mir scheint, die Bahn dreht und wendet den Faktor nach ihrem Gusto an“, sagt Pfeifer.

Kurz vor dem Ortstermin sei am Burgberg der Rasenmäher angeworfen worden, sagt der Bund-Mann. Dieses Vorgehen habe er auch in Neuhausen auf den Fildern erlebt, wo kurz vor dem Besuch der Naturschützer ein Landschaftsgärtner aufgetaucht sei. Das dortige Interimsquartier sei überwuchert. „Das ist ein Nordosthang, große Bereiche sind total beschattet, deshalb musste das Quartier von 3600 auf 7000 Quadratmeter verdoppelt werden“, so der Experte. „Von den 619 Eidechsen haben wir jetzt vier gesehen“, sagt Pfeifer. „Es ist aber nicht alles schlecht, die Umsiedlung im Mussenbachtal funktioniert sehr gut“, so Pfeifer. Das sagt auch die Bahn. Im Tal bei Mühlhausen habe man „optimale Ergebnisse“. Umsiedeln müsse man übrigens 6000 Eidechsen.