So der Südflügel des alten Bahnhofs stand, plant die Bahn eine zweite Anlage zum Abpumpen und Reinigen des Grundwassers Foto: Leif Piechowski

Die Deutsche Bahn kann künftig im Schlossgarten mit voller Kraft am Tiefbahnhof bauen. Das Eisenbahn-Bundesamt erlaubt ihr, die doppelte der bisher genehmigten Wassermenge aus den Baugruben zu pumpen.

Die Deutsche Bahn kann künftig im Schlossgarten mit voller Kraft am Tiefbahnhof bauen. Das Eisenbahn-Bundesamt erlaubt ihr, die doppelte der bisher genehmigten Wassermenge aus den Baugruben zu pumpen.

Stuttgart - Am 5. August ging die Bahn für das Herzstück ihres Megaprojekts Stuttgart 21 in der Stadtmitte in die Tiefe. Die Arbeiten für den neuen Durchgangsbahnhof mussten aber mit angezogener Handbremse laufen, weil die Genehmigung für die Grundwasserentnahme nicht ausreichte. Jetzt kommt der Nachschlag. Wir geben die Antworten auf die wichtigsten Fragen dazu.

Was bringt der Bahn die neue Genehmigung?
Die Beschränkungen bei der Wasserentnahme fallen. Die Werte werden mehr als verdoppelt. Insgesamt dürfen in sieben Jahren bis zu 6,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser aus dem 900 Meter langen und 100 Meter breiten Bahnhofstrog gepumpt werden. Bis zu 1,5 Millionen Kubikmeter dürfen in den Neckar abgeleitet werden, der Rest muss über Versickerungsstellen wieder ins Erdreich fließen. Das soll verhindern, dass der Grundwasserspiegel während der Bauzeit zu sehr absinkt und es zu Schäden kommt.
Warum pumpt die Bahn überhaupt?
Wer in Stuttgart in die Tiefe baut, der muss an vielen Stellen Wasser abpumpen, sonst müsste er unter Wasser betonieren. Die Bahn will die Segmente des Tiefbahnhofs im Trockenen fertigstellen. Boden und Wände sind übrigens wasserdicht, denn das Bauwerk wird später im Grundwasser stehen.
Wie kommt es zu der Mehrmenge?
Bisher war die Entnahme von rund drei Millionen Kubikmetern Wasser genehmigt. Den Wert hatte die Bahn vor Jahren nach Probebohrungen berechnet. Ein weiteres Bohrprogramm brachte andere Werte, daher musste die Bahn den Umfang erweitern.
Was ist mit dem „Petrus-Faktor“ gemeint?
Gemeint ist, dass die Bahn unbegrenzt Wasser pumpen kann. Dazu muss sie nachweisen, dass zusätzlicher Grundwasserandrang aus extremen Niederschlägen herrührt.
Werden die Arbeiten der Bahn überwacht?
Ja. Sie muss ihr Grundwasserströmungsmodell während des Baus fortschreiben und alle Daten Behörden zur Gegenprüfung geben.
Was könnte passieren?
Grundwasser und das darunter fließende Mineralwasser könnten sich vermischen. Dann müsste der Bau gestoppt werden, denn der Schutz der Mineralquellen hat Priorität.
Was ist mit dem Park und Gebäuden?
Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) gibt Gutachtern recht, die Gebäudeschäden durch den gesenkten Wasserspiegel ausschließen. Die Bäume im Park sollen teils durch Sonden besonders bewässert und überwacht werden. Das Eba sieht „keine weiteren nachteiligen Umweltauswirkungen“.
Kann die Bahn sofort mehr pumpen?
Ja, das Eba als Genehmigungsbehörde hat die Erlaubnis mit Auflagen erteilt. Auch eine Klage kann sie nicht mehr aufschieben. Allerdings muss die Bahn zunächst die Anlage im Schlossgarten erweitern.
Wird Stuttgart 21 jetzt schon wieder teurer?

Mehr abzupumpen kostet mehr Geld. Aber die Wasserproblematik ist laut Bahn in den 6,5 Milliarden Euro Gesamtbaukosten enthalten. Das Thema hat jedoch Anteil an der Kostenexplosion Anfang 2013, als sich der Tief- und Flughafenbahnhof und 60 Kilometer Strecke von 4,5 auf 6,5 Milliarden verteuerten.

Was sind die nächsten Schritte der Bahn?
Sie schreibt den Aufbau einer zweiten Anlage zum Pumpen und Reinigen des Grundwassers aus. Sie soll auf der Fläche des ehemaligen Bahnhof-Südflügels aufgebaut werden.
Was sagt die Bahn?
„Das ist der wichtigste Meilenstein für den Weiterbau“,  so S 21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Man wolle schnell die zweite Anlage aufbauen. „Sobald sie da ist, kann der Bahnhofsbau intensiviert werden“, sagt Dietrich. Die Grundwasser-Diskussion sei „zum Teil notwendig, zum Teil aber auch befremdlich“ gewesen.
Was sagen die Gegner?
Der Bund für Umwelt und Naturschutz will die 102 Seiten Genehmigung gründlich prüfen. Die unbegrenzte Entnahmemenge sehe man sehr kritisch, sagt die Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch. Die Genehmigung werde den Bedenken nicht gerecht, das Eba habe „drei Purzelbäume für die Erlaubnis gemacht“.