Bahnchef Rüdiger Grube hat sich bei einem Termin in Aalen erstmals zu einer möglichen Klage gegen das Land geäußert. Foto: dpa

Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages befasst sich am Mittwoch ab 9.30 Uhr mit der Kostenexplosion bei Stuttgart 21. Die Abgeordneten haben viele Fragen gestellt, aber bisher keine Antwort von Bahnchef Rüdiger Grube.

Stuttgart - Das Bahnprojekt Stuttgart 21 wird um bis zu 2,3 Milliarden Euro teurer. Am Montag hat sich Bahnchef Rüdiger Grube bei einem Termin in Aalen erstmals zu einer möglichen Klage gegen das Land geäußert. Mit der soll das Land gezwungen werden, mehr als eine Milliarde der Mehrkosten zu zahlen. Zunächst müsse man sehen, ob die Gespräche mit Land und Stadt im Geist des Finanzierungsvertrages abliefen, so Grube. Sollten die Partner bei ihrem Nein bleib en, „müssen die Gerichte entscheiden, so ist das nun mal in Deutschland“, so der Bahnchef.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) reagierte „verwundert“ auf Grubes Äußerung - zumal man sich nach dem jüngsten Besuch von Technikvorstand Volker Kefer mit der Bahn einig gewesen sei, dass man den Gang vor Gericht vermeiden wolle. Die Bahn als Bauherr habe ihren Partnern nach wie vor nicht ausreichend erklärt, wie es zu den Mehrkosten kommen konnte.

Grube geriet am Montag selbst in die Kritik. Anton Hofreiter (Grüne), Verkehrsausschuss-Vorsitzender im Bundestag, forderte Grube auf, Antworten auf die Fragen der Ausschussmitglieder freizugeben. Für die Sitzung am Mittwoch um 9.30 Uhr lägen sie noch nicht vor, obwohl „die Antworten im Bahnkonzern vorhanden sein müssten“. Hofreiter weiter: „Wenn wir keine Antworten erhalten, wäre das ein weiterer Beleg für die Intransparenz der Bahn.“

Auch Florian Pronold, SPD-Abgeordneter aus Bayern und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss, erwartet Aufklärung. Ihm dränge sich „der Verdacht auf, dass DB und Verkehrsministerium die Informationen über die wahren Kosten vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg bewusst zurückgehalten haben, um den Wahlausgang um den Volksentscheid zu beeinflussen“. Werde das Projekt für die Bahn unwirtschaftlich, „darf der Aufsichtsrat nicht zustimmen“, so Pronold. In ihre Finanzplanung will die Bahn zwei Milliarden Euro zusätzlich für S 21 einstellen, sagt ein Aufsichtsrat – womit es unwirtschaftlich wäre. Das Kontrollgremium soll nur 1,657 Milliarden genehmigen, der Rest müsse eingespart werden. Die Finanzierung werde „so konstruiert, dass die eigene Leute sich nicht strafbar machen“, kommentiert Hofreiter.

Bis zu 400 Millionen Euro

Rüdiger Grube hat am Montag kritisiert, dass ein Teil der Mehrkosten auf „behördlichen Schwergang“, also die schleppende Bearbeitung von Bauanträgen zurückgehe. Gemeint ist damit vor allem das Eisenbahn-Bundesamt (Eba). Bis zu 400 Millionen Euro hatte der Vorstand am 12. Dezember dem Aufsichtsrat als Hausnummer genannt.

Die drei Staatssekretäre im Kontrollgremium hatten allerdings Anfang Februar zusammengefasst, dass die Vorwürfe der Konzernspitze gegen das Eba „nicht zu halten sind“. Schon 2008 seien alle kritischen Bauanträge abgeschlossen gewesen. Seitdem ändere die Bahn ihre Pläne. Das Eba kritisiere seinerseits „die erheblichen Mängel in der Qualität der von der DB vorgelegten Unterlagen“ sowie deren „erheblichen Zeitbedarf“. Fazit der Staatssekretäre: Dem Vorwurf des „behördlichen Schwergangs“ sollte „deutlich entgegen getreten werden.“

Die gegen Stuttgart 21 eingestellten Teile der SPD im Land haben am Montag in einem Brief dem Landesvorstand vorgeworfen, „keine ernsthafte Bereitschaft“ für eine Debatte über Stuttgart 21 zu zeigen. Die schlechten Wahlergebnisse der Partei längen auch an der Haltung zu S 21. „Die Verantwortung für unsere Wahlergebnisse liegt bei der SPD-Führung im Land – auch für die Bundestagswahl 2013!“, schreiben die innerparteilichen Gegner.

Strobl: „Mein Eindruck ist, dass es gebaut werden wird“

Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl hat am Montag eine Mäßigung der Kritiker gefordert. „Mein Eindruck ist, dass es gebaut werden wird“, sagte Strobl nach einer Sitzung von Präsidium und Landesvorstand der Südwest-CDU in Stuttgart. Strobl forderte die Bahn auf, „sich ehrlich zu machen“ und die Kostenkalkulation nicht regelmäßig nach oben zu korrigieren. Scharfe Töne schlug er gegenüber der grün-roten Koalition an. Es könne nicht hingenommen werden, dass Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) das Projekt „mit geballter Kraft hintertreibt, verzögert und verteuert“.

Der Stuttgart-21-Sprecher Wolfgang Dietrich wandte sich am Montag gegen eine Umfrage der Berliner „Tageszeitung“. Sie hatte eine Mehrheit von 54 Prozent gegen das Projekt ergeben. Die journalistische Interpretation der Umfrage sei „an Unredlichkeit kaum zu überbieten“, so Dietrich.

Weiterbauen oder aussteigen? Diese Frage zu Stuttgart 21 beschäftigte auch den Montagskreis im Theaterhaus. Dabei gab schon die Besetzung der politischen Diskussionsrunde die Antwort vor. Mit der Bund-Landesvorsitzenden Brigitte Dahlbender, dem SPD-Granden Peter Conradi und dem Berliner Verkehrsplaner Michael Holzhey saßen prominente Kritiker des Bahnprojekts auf dem Podium. Allein Uwe Stuckenbrock, ehemaliger städtischer Stadtplaner, vertrat die Tiefbahnhof-Fans. „Wir haben nur Absagen bekommen“, verdeutlichte Organisatorin Petra Bewer, dass S21-Befürworter derzeit die Öffentlichkeit scheuen. „Wir brauchen einen Baustopp, um gemeinsam zu überlegen, wie es weitergeht“, forderte Dahlbender. Inzwischen sei „eine Ebene der Muskelspiele“ erreicht, die weder für die Stadtgesellschaft noch für die Projektbetreiber sinnvoll sei. Planer Holzhey nannte den von Schlichter Heiner Geißler ins Spiel gebrachten Kombibahnhof als Favoriten. „Der erste Bauabschnitt einer Alternative ist, den Kopfbahnhof wiederherzustellen“, forderte Peter Conradi.